Bélas Sünden
nicht. Sie war hier, gib es zu.«
»Nein, Liska, nein. Bitte sei still, es war niemand hier.«
Als er Anstalten machte, mir einen Arm um die Schultern zu legen, schlug ich ihm ins Gesicht. Und er steckte das klaglos ein. Es war mein letzter Beweis sozusagen.
10. Kapitel
Es schwankte wieder. Auch wenn ich mir krampfhaft einzureden versuchte, dass die eine Sache und die andere nichts miteinander zu tun hatten, glauben konnte ich es nicht. Es war wie ein großes Puzzle – in sämtliche Einzelteile zerlegt. Ich brachte es nicht richtig zusammen, wollte das auch gar nicht. Ich wollte das Bett nicht mehr sehen. Und meine Tochter nicht mehr, die sich die Waffe aus Bélas Schrank holte, um einen alten Freund zu erschießen. Meinen Freund, der für mich einen Namen herausfinden wollte, den ich längst herausgefunden hatte. Die Bücher auf dem Schreibtisch. Missbrauchte Kinder, die irgendwann erwachsen wurden. Und Heinz, der an solch ein Kind gebunden war. Sein merkwürdiges Grinsen am Sonntagabend. Der Blick, den er zu Béla in die Ecke geschickt hatte, diese komische Bemerkung.»Brauchst nicht lange zu suchen. Du kannst dich vertrauensvoll an mich wenden.«
Nein, nicht komisch. Das war eine Sache gewesen, die ihn betraf, auch wenn sie ihn persönlich nicht viel anging. Mir war fürchterlich kalt. Es war ein Gefühl, als hätte ich einen Stein im Innern. Aber Meta hatte auch gewusst, dass bei uns eine Waffe im Schrank lag. Bevor ich zum Wagen ging, rief ich unsere Angestellten an, dann hängte ich das Schild an die Eingangstür.»Geschlossen.«
Knapp zehn Minuten später stand ich Meta erneut gegenüber. Sie war noch im Nachthemd, sah übernächtigt und sehr alt aus. Die Augen klein und rot, der Mund nur ein schmaler Strich. »Hier«, sagte ich und wedelte ihr mit den Seiten vor dem Gesicht.»Du wolltest doch unbedingt wissen, wovon mein nächster Roman handelt. Er handelt von der Liebe zwischen Vater und Tochter. Eine sehr große Liebe, leider eine verbotene. Jetzt werde ich wohl ein paar Seiten umschreiben müssen. Ich wollte eigentlich keinen Krimi daraus machen, jetzt ist es einer. Während du liest, würde ich mich gerne noch einmal mit Marion unterhalten. Ist sie da?«
»Natürlich«, sagte Meta ruhig, den Seiten schenkte sie keine Beachtung. Ich hatte sie mit meiner Erklärung in keiner Weise erschreckt oder außer Fassung gebracht. Es war ein kleines Aufatmen im Innern, ein ganz kleines.»Die konnte ich so nicht zur Schule schicken«, sagte Meta. Ich versuchte, mich an ihr vorbei in den Flur zu drängen. Sie hielt mich an der Schulter zurück.»Du kannst nicht mit ihr reden, Lisa. Im Moment kann keiner mit ihr reden, die Polizei auch nicht. Sie waren schon da. Aber sie haben das eingesehen und sind wieder gegangen. Marion ist fix und fertig.«
»Das bin ich auch.«
»Gehn wir erst mal rein«, schlug sie vor. Meine Schulter ließ sie nicht los, dirigierte mich durch den schmalen Flur, vorbei an den alten Fotografien auf das Wohnzimmer zu.»Soll ich dir einen Kaffee machen?«
»Nein, ich habe schon genug Kaffee getrunken.«
»Was sagt Béla denn?«, erkundigte sich Meta, während sie wie in der Nacht zwischen dem Kissen und der Wolldecke auf der Couch Platz nahm.»Er ist nicht nach Hause gekommen.«
Das verstand sie nicht. Da kam ein bisschen Leben in das unbewegte Gesicht.»Ist ja komisch. Wo kann er denn sein?«
Ich zuckte mit den Achseln und schob ihr über den Tisch die Seiten zu. Dabei sagte ich:»Um Béla werde ich mich später kümmern. Jetzt möchte ich, dass du das liest. Und ich möchte auch, dass du weißt: Die Polizei verdächtigt dich.«
Meta lächelte. Es war ein merkwürdiges Lächeln, ein bisschen abwesend, ein bisschen zufrieden.»Kann ich mir denken. Lass sie doch. Sie können mich verdächtigen, solange sie lustig sind. Beweisen müssen sie es mir, Lisa, beweisen. Und das können sie nicht. Ich war den ganzen Abend hier, Susanne und Anika werden das bezeugen. Außerdem, warum hätte ich es tun sollen? Ich war auf ihn angewiesen. Er hat gut verdient. Wie es jetzt weitergeht, weiß kein Mensch. Ich hatte kein Motiv.«
Ich zeigte auf die Seiten.»Da ist dein Motiv.«
Meta lächelte nicht mehr, sie grinste.»Dein neuer Roman, was? Hast du es ihnen gezeigt?«
»Nein.«
»Willst du es ihnen zeigen?«
»Nein.«
Meta seufzte.»Dann ist es doch gut. Seit wann weißt du das schon und von wem?«
»Seit Mai. Heinz hat es mir erzählt.«
Meta presste die Lippen aufeinander, atmete
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