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Bélas Sünden

Bélas Sünden

Titel: Bélas Sünden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Hammesfahr
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leidenschaftlich gerne tanzte, wusste er auch. Und ich hatte nicht einmal gewusst, dass er tanzen konnte. Er machte sich hervorragend. Anschließend ging jeder zurück an seine Arbeit.
    Als wir nachts um halb vier Kassensturz machten, sah es viel versprechend aus. Um vier fiel ich ins Bett wie ein Stein und Béla ausnahmsweise neben mich. Um halb sieben klingelte der Wecker. Irgendwie schaffte ich es hinunter in die Küche und stellte fest, dass Sonja wieder nicht heimgekommen war. Béla kam nur Sekunden nach mir herunter. Zum Frühstücken war ich noch zu müde. Nur ein Kaffee, dann ans Großreinemachen. Bis um elf war alles wieder in Ordnung. Béla ging nach vorne, öffnete die Eingangstür, stellte sich hinter den Tresen und harrte der Dinge, die da kommen sollten. Ich war damit beschäftigt, rotgrün karierte Tischdecken zu waschen, zu trocknen und zu bügeln. Um zwei schloss Béla die Eingangstür. Mittagspause bis um fünf. Bis dahin hatte er siebzehn Mark und achtzig Pfennig eingenommen. Aber wer hat schon die Zeit, vormittags in eine Kneipe zu gehen? Drei alte Männer.
    Von fünf bis acht sah es auch düster aus. Als ich mich um halb neun hinter den Tresen stellte, standen fünf Männer davor. Béla setzte sich mit seinem Keyboard an den Tisch in der Ecke. Er spielte, ich zapfte von Zeit zu Zeit ein Bier, goss auch mal einen Schnaps ein. Es war ein Freitag, und gegen neun füllte sich der Raum allmählich.
    Ein paar Mal wurde ich nach der Speisekarte gefragt, aber die Leute blieben, obwohl es nichts zu essen gab. Béla hielt sie. Leider war es ihm nicht vergönnt, seine Gäste bis weit nach Mitternacht auf die Stühle zu kleben, wie er sich das vorgestellt hatte. Ich schaffte das einfach nicht allein hinter dem Tresen. Und dann noch an den Tischen zu bedienen. Verdammt, ich hatte nur zwei Hände! Vor kaum zwei Tagen hatte ich das erste Glas unter einen Zapfhahn gehalten. Ich war es auch nicht gewohnt, mich mit voll beladenen Tabletts durch einen Pulk von Leuten zu schieben, die sich entweder unterhielten oder mit verzückten Mienen der Musik lauschten und nicht daran dachten, mir Platz zu machen. Die mit den verzückten Mienen waren in der Hauptsache junge Frauen. In der Nacht hatten wir den ersten richtigen Streit. Und Béla dachte nicht daran, diesmal klein beizugeben. Wir lebten nicht mehr in einer Wohnung, für die ich allein Miete und Strom bezahlte. Es ging für ihn nicht mehr um ein paar Mark, die ich verdient und zum Fenster hinausgeworfen hatte. Jetzt ging es um die gemeinsame Zukunft.
    Er war sauer. Seiner Meinung nach hätten wir das Doppelte einnehmen können, wenn ich als Wirtin zurechtgekommen wäre und ihn hätte weiterspielen lassen. Nachdem er mir einen energisch-männlichen Vortrag über meine Unfähigkeit, meine Launenhaftigkeit und meine Unbeherrschtheit gehalten hatte, wurde er handgreiflich. Sehr sanft natürlich, zur Versöhnung. Seine Fingerspitzen zogen weiche Kreise um meinen Nabel und wanderten von dort aus zu den Leisten hinüber. »Du musst dir etwas mehr Mühe geben, Liska«, flüsterte er. Trotz des Flüsterns war da ein Ton, der mir klarmachen sollte, wer in diesem Haus der Herr war. Ich dachte an den Vortrag, den mein Vater mir über die Unterdrückung der Frau gehalten hatte, dachte gleich anschließend: Nicht mit mir, mein Freund. Béla flüsterte weiter: »Nicht immer gleich schreien. Es ist alles noch ungewohnt. Aber es wird dir sicher bald Spaß machen.«
    Das glaubte ich nicht. Ich war müde und wütend, mir taten die Füße weh, die Arme und der Rücken auch. Meine Hände waren noch eiskalt und vom Gläserspülen rissig und rotgeschwollen. »Hör mit der Fummelei auf«, sagte ich. Danach war er erst recht sauer. Zwei Tage lang sprach er noch in diesem Oberlehrerton auf mich ein. Dann erkannte er, dass er mit seinem Herr-im-Haus-Gehabe nur einen Stein ins Bett bekam, und ging wieder zur gewohnten Tonart über. Nach knapp einem Monat wussten unsere Gäste bereits genau, dass unsere Hauptattraktion ein unberechenbarer Faktor war. Natürlich kamen sie nicht ausschließlich, um Béla spielen zu hören. Sie kamen der Atmosphäre wegen, ein gepflegtes Bier zur Musik oder umgekehrt. Und wenn es nicht zu viele waren, kam die ungeschickte Gans am Zapfhahn zurecht. Aber wenn es mehr wurden. Und es gab nicht mal eine Musikbox als Ersatz. Das hätte Béla als Sakrileg empfunden. Zu essen gab es auch nichts. Dann gingen sie wieder. Und wenn es weniger wurden, gab es wieder Musik.
    In

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