Bell ist der Nächste
Sondern sie handelt von den Motiven, die die Leute dafür haben, einander umzubringen. Das ist ein Thema, bei dem ich mich ein bisschen auskenne, nicht zuletzt, weil ich Redakteur bin und die Leute mir andauernd Geschichten über Mörder zuschicken. Mein Name ist David Loogan. Die meisten Manuskripte, die zu mir gelangen, sind grässlich, aber einige sind auch vielversprechend. Ich suche die besten davon aus, redigiere sie und veröffentliche sie in einem Krimimagazin namens Gray Streets .
Vielleicht ist es deshalb auch nicht überraschend, dass mein Part in dieser Geschichte mit einem Manuskript beginnt.
Die Fakten sind ganz einfach. Ich entdeckte es an einem Mittwochabend mitten im Juli auf dem Flur vor meinem Büro. Das ist nicht ungewöhnlich. Autoren deponieren ihre Manuskripte häufiger draußen vor der Bürotür, als Sie vermuten würden.
Dieses war allerdings anders. Es lag in einem schlichten, unbeschrifteten Umschlag, und es bestand aus weniger als zehn Seiten. Es war die Geschichte dreier Morde; zweier, die bereits begangen worden waren, und eines Mordes, der noch begangen werden sollte. Und es war keine Fiktion.
Der Verfassername war nicht genannt, es gab keine Unterschrift. Der Mann, der die Geschichte geschrieben hatte, wollte sich nicht preisgeben. Er hatte sie am Computer geschrieben und in einem Kopierladen ausgedruckt. Natürlich wusste ich das zu jenem Zeitpunkt noch nicht. Elizabeth hat das später herausgefunden.
Als ich ihr das Manuskript übergab, hegte ich die Hoffnung, dass es vielleicht einen nützlichen Hinweis liefern könnte. Heutzutage kann man in den Kriminallabors mit Haaren und Fasern wahre Wunder vollbringen, was DNA-Spuren anbelangt. Ich dachte, es fänden sich vielleicht Fingerabdrücke auf den Seiten, andere als meine eigenen. Aber als sie das Manuskript an das Labor schickte, entpuppte sich das als völlige Sackgasse. Es verriet keinerlei Geheimnisse – nichts, was ihr hätte sagen können, wer es geschrieben hatte oder wie es motiviert war.
Wenn Sie die Antwort auf diese Fragen wissen wollen, dann müssen wir zurückgehen. Noch vor jenen Tag Mitte Juli. Wir müssen die üblichen Regeln außer Acht lassen, weil ihnen diese Geschichte nicht folgt. Sie hat ihre eigenen Vorstellungen. Obwohl sie meine Geschichte ist und auch die von Elizabeth, fängt sie eigentlich nicht mit uns an. Sie beginnt im nördlichen Michigan, in der Stadt Sault Sainte Marie, in einem Hotelzimmer.
Und sie beginnt mit einem Notizbuch.
1
Das Notizbuch war ein schlichter Gegenstand, aber elegant. Liniertes Papier, fadengeheftet, zwischen weichen schwarzen Einbänden. Klein genug, um es in eine Jackentasche zu stecken. Vincent van Gogh hatte in so einem Notizbuch Skizzen angefertigt. Ernest Hemingway schrieb in Pariser Cafés sparsame Dialoge darin nieder.
Anthony Lark benutzte seines, um eine Liste anzufertigen. Drei Namen, in dicker, schwarzer Tinte. Henry Kormoran. Sutton Bell. Terry Dawtrey. Die Buchstaben reihten sich anmutig aneinander. Der Füller war ein Waterman, ein Erbstück von seinem Vater.
Kormoran und Bell waren vermutlich relativ leicht zu erledigen. Beide wohnten in Ann Arbor – Kormoran in einer Wohnung, Bell mit Frau und Tochter in einem bescheidenen Haus. Die Frau und die Tochter machten die Sache komplizierter, aber alles in allem war Lark unbesorgt. Kormoran und Bell waren zu erledigen.
Dawtrey war ein anderer Fall. Er saß eine Haftstrafe von dreißig Jahren ab, dreißig Kilometer südlich von Sault Sainte Marie.
Lark ließ sein Notizbuch auf dem Hotelbett liegen und trottete barfuß zur Eismaschine am Ende des Korridors. Mit einem Plastikbeutel fing er ein paar Eiswürfel auf, nur eine Handvoll, genug, um seine Stirn zu kühlen. Die Kopfschmerzen kamen jetzt häufiger.
An diesem Nachmittag, als er an dem Gefängnis vorbeigefahren war, war es ihm noch gut gegangen. Er wusste nicht, was er eigentlich erwartet hatte, vielleicht so etwas wie eine Festung. Hohe Gebäude aus Stein. Festungswälle und Gewölbepfeiler. Aufragende Mauern mit Ecktürmen für die Wachen.
Die Realität war weniger eindrucksvoll. Es gab ein paar ausgedehnte Gebäude aus unscheinbarem braunem Backstein. Die Sonne warf die Schatten der Wachtürme über den Innenhof. Zwei hohe Maschendrahtzäune, von Stacheldraht gekrönt, umgaben das Ganze.
Lark war in einem Arbeiterviertel in Dearborn, an den Ausläufern von Detroit, aufgewachsen. Wenn man sich die Türme und Zäune wegdachte, hätte er womöglich
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