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Bell ist der Nächste

Bell ist der Nächste

Titel: Bell ist der Nächste Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Harry Dolan
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Lohn war erbärmlich.
    Das Häuschen besaß ein kleines Wohnzimmer, eine winzige Küche und ein noch kleineres Bad. Kein Schlafzimmer, nur ein Schlafsofa. Ein Minimum an Habseligkeiten. Im Arzneischrank über dem Waschbecken im Badezimmer befanden sich bloß ein Rasiermesser, eine Zahnbürste, Zahnpasta. Das Wohnzimmer war spärlich eingerichtet, es gab einen Fernsehapparat mit Antenne und einen Wandkalender, der mit Spatzenaquarellen aufwartete. Lark blätterte ihn durch. An jedem zweiten Samstag war ein »T« eingetragen.
    Neben dem Kalender hing eine gerahmte Fotografie: das Schulfoto eines vierzehn- oder fünfzehnjährigen Jungen.
    Während Lark noch das Foto betrachtete, schreckte ihn das Läuten eines Telefons auf. Er folgte dem Geräusch in die Küche, wo auf der Arbeitsfläche ein ramponiertes beigefarbenes Telefon neben einem primitiven Anrufbeantworter stand. Das Band in dem Anrufbeantworter begann sich zu drehen, die Ansage des alten Mannes. Dann ein Piepsen und eine Frauenstimme, rau von Zigarettenrauch.
    »Charlie, bist du da?«, sagte sie. Eine Pause. »Vielleicht sehe ich dich ja später im Cozy.«
    Als der alte Mann von der Arbeit nach Hause kam, saß Lark in seinem Chevy ein Stück den Weg hinunter. Er sah zu, wie der Mann aus der Fahrerkabine eines Pick-ups kletterte und zur Eingangstür stapfte. Er hätte vielleicht da schon aktiv werden, hätte dem Mann einfach nach drinnen folgen können, aber irgendwie kam ihm das zu abrupt vor. Und es war immer noch helllichter Tag. Besser, die Sache nach Einbruch der Dunkelheit zu erledigen.
    Lark fuhr zum Cozy Inn und aß gemütlich zu Abend – Fisch aus der Bucht, Pommes frites, Krautsalat. Er hatte eine Zeitung aus Sault Sainte Marie mitgenommen, und nachdem die Bedienung seinen Teller weggeräumt hatte, begann er die Titelseite zu lesen. Sie brachte ihm die Rechnung, er gab ihr ein beträchtliches Trinkgeld, und danach ließ sie ihn in Ruhe.
    Der alte Mann kam um acht Uhr herein und nahm an der Bar Platz. Er trank Whisky und Bier. Um zehn waren die meisten Touristen gegangen, und das Lokal füllte sich mit den Leuten aus dem Ort, mit ihren rauen Stimmen und ihrem Gelächter. Um elf kam eine Frau in einem Lederrock und einem Stricktop herein. Schwarz gefärbtes Haar. Mitte fünfzig, dachte Lark, und hofft, für vierzig durchzugehen.
    »Da bist du ja, Charlie«, sagte sie zu dem alten Mann.
    »Madelyn, du Füchsin«, sagte er und klopfte auf den Hocker neben sich.
    Als Lark die beiden von seiner Ecke aus diskret beobachtete – Madelyn, die aus einer perlenbestickten Handtasche eine Zigarette holte, Charlie, der ihr mit einem Zippo Feuer gab –, wünschte er, dass er es schon hinter sich hätte. Er hätte schon am Haus alles klarmachen sollen. Er spürte den Kopfschmerz kommen und nahm eine Tablette aus einer kleinen Blechdose, in der sich einst Mentholbonbons befunden hatten. Er rechnete nicht damit, dass die Tablette wirkte. Er spürte, wie der Schmerz an die Stelle hinter seinen Augen drang und sich dort kräuselte und zuckte wie der Rauch von Madelyns Zigarette.
    Eine Stimme in seinem Kopf sagte: Die Kopfschmerzen sind ein Symptom. Die Stimme seines Arztes. Das hatte ihm sein Arzt wieder und wieder gesagt.
    Der Ärger begann kurz vor Mitternacht. Lark hatte ein Bier vor sich stehen, an dem er schon seit einer Stunde genippt hatte. Er sah zu, wie eine Gruppe junger Leute den Ausgang ansteuerte. Adrett, gut gekleidet – Croupiers aus dem Casino, wenn er raten müsste. Der Letzte von ihnen hielt die Tür für einen bulligen Mann auf, der gerade hereinkam.
    Das ist kein Croupier, dachte Lark. Vielleicht ein Arbeiter oder ein Fischer.
    Madelyn kannte ihn. Sie erhob sich und ging ihm bis in die Mitte des Raumes entgegen.
    »Kyle, Liebling«, sagte sie beiläufig.
    Er war ein jüngerer Mann, vielleicht vierzig – so alt, wie sie vorgab zu sein. Er trug Arbeitskleidung aus Jeansstoff und schwere Stiefel. Sie führte ihn an die Bar und bestellte ihm einen Drink, erzählte ihm irgendetwas, wobei sie ihm mal den Kragen richtete, mal die Hand auf seinen Arm legte. Sie hatte die nervöse Energie einer Frau, die an einem Ort erwischt worden war, an dem sie nicht sein sollte.
    Der alte Mann, Charlie, saß vergessen und unbeachtet neben ihr, und sein Gesicht wurde, je mehr Zeit verstrich, immer säuerlicher. Die anderen Stammgäste an der Bar schienen sich von den dreien abzuwenden, als spürten sie schon, was passieren würde.
    Lark sah von seinem Ecktisch aus zu.

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