Belladonna
of Investigation trug, spannte über seinem Brustkorb. Sein unvorschriftsmäßiger Vollbart war sauber gestutzt, und um den Hals trug er eine gleichermaßen verbotene Goldkette. Mit seiner Größe von weniger als einem Meter und fünfundsechzig war er so klein, dass Sara ihm ohne weiteres das Kinn auf den Kopf hätte legen können. Das hatte ihn jedoch nicht daran gehindert, sie des Öfteren einzuladen, mit ihm auszugehen.
«He, Mädchen», sagte Nick und legte ihr den Arm um die Taille.
Konkurrenz hatte Jeffrey von Nick weniger zu fürchten als von einem Rentier, aber er schien dennoch fast aus der Haut zu fahren, als er diese vertraute Geste wahrnahm. Und Sara nahm an, dass Nick sich aus ebendiesem Grund so fürsorglich gab.
«Warum fangen wir nicht mit unserer Sitzung an?», fragte Jeffrey missmutig. «Sara muss wieder zur Arbeit.»
Sara holte zu Jeffrey auf, als sie auf dem Weg nach hinten den Flur entlanggingen. Sie schob ihm das Pillenfläschchen in die Jackentasche.
«Was ist das?», fragte er und zog es wieder heraus. Dann:
«Oh.»
«Oh», wiederholte Sara und öffnete die Tür.
Frank Wallace und ein schlaksig aussehender junger Mann in Khakihose und einem Hemd wie dem von Nick saßen im
Besprechungszimmer, als sie eintraten. Frank stand auf und schüttelte Nick die Hand. Sara bedachte er mit einem knappen Nicken, das sie jedoch nicht erwiderte. Irgendetwas sagte Sara, dass Frank bei den Ereignissen des gestrigen Abends die Hand im Spiel gehabt hatte, und das gefiel ihr ganz und gar nicht.
«Das hier ist Mark Webster», sagte Nick und deutete auf den anderen Mann. Er war fast noch ein Jugendlicher, kaum älter als einundzwanzig. Er sah aus, als wäre er noch nicht richtig
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trocken hinter den Ohren, und am Hinterkopf hatte er eine hochstehende Haarlocke.
«Freut mich, Sie kennen zu lernen», sagte Sara und schüttelte ihm die Hand. Es war, als hätte sie einen Fisch in den Fingern, aber wenn Nick diesen Mark Webster extra von Macon hierher gebracht hatte, konnte er nicht so dämlich sein, wie er aussah.
Frank sagte: «Warum erzählen Sie den beiden nicht, was Sie mir erzählt haben?»
Der Junge räusperte sich und zupfte tatsächlich seinen Hemdkragen zurecht. Er richtete seine Worte an Sara: «Ich hab nur gesagt, es ist interessant, dass Ihr Übeltäter sich Belladonna als Gift der Wahl ausgesucht hat. Das ist sehr ungewöhnlich.
Bei meiner Arbeit sind mir nur drei Fälle untergekommen, und eigentlich konnte man sie alle ausklammern, weil es sich um das Werk von dummen Kids handelte, die dachten, sie könnten ein bisschen Spaß haben.»
Sara nickte, denn sie wusste, dass ‹Ausklammern› bedeutete, bei einem Todesfall ein Gewaltverbrechen oder Mord
auszuklammern. Als Leichenbeschauerin wie als Kinderärztin war sie besonders aufmerksam, wenn Kinder mit unbekannter Todesursache im Leichenschauhaus auftauchten.
Mark lehnte sich an den Tisch und sprach jetzt den Rest der Gruppe an: «Belladonna gehört zur Familie der tödlichen Nachtschattengewächse. Im Mittelalter kauten Frauen kleine Mengen der Samen, um ihre Pupillen zu erweitern. Eine Frau mit erweiterten Pupillen galt als attraktiver, und daher stammt auch der Name ‹bella donna›. Der bedeutet ‹schöne Frau›.»
«Beide Opfer hatten extrem erweiterte Pupillen», äußerte sich Sara dazu.
«Schon eine ganz geringe Dosis hat diese Wirkung»,
antwortete Mark. Er nahm einen weißen Umschlag zur Hand und zog einige Fotos heraus, die er Jeffrey zum Verteilen aushändigte.
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Mark sagte: «Belladonna hat glockenförmige, gewöhnlich dunkelpurpurne Blüten und riecht irgendwie seltsam. Wenn Sie Kinder oder kleine Haustiere haben, möchten Sie die Pflanze, die auch Tollkirsche genannt wird, eigentlich nicht im Garten haben. Wer sie jedoch hat, wird wahrscheinlich einen mindestens einen Meter hohen Zaun um sie herumgezogen haben, damit nicht jedes Lebewesen in ihrer Nähe vergiftet wird.»
«Braucht die Pflanze einen bestimmten Boden oder speziellen Dünger?», fragte Jeffrey und reichte ein Foto an Frank weiter.
«Sie ist ein Unkraut und kann praktisch überall wachsen.
Deswegen ist sie ja so beliebt. Nur leider enthält sie eine schlimme Droge, nämlich Atropin.» Mark machte eine Pause.
«Das High ist ausgedehnt und kann drei bis vier Stunden dauern, je nach Größe der Dosis. User berichten von äußerst echten Halluzinationen. Sehr oft meinen sie, dass das, woran sie sich erinnern können, auch tatsächlich geschehen
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