Belladonna
eilen.
Natürlich ein alberner Gedanke. Aber albern oder nicht, der Gedanke ließ sie erzittern.
Erinn eilte auf die nächste erleuchtete Straßenlaterne zu.
Wenn sie Tommy Lamplighter das nächste Mal sah, würde sie ihm gründlich die Meinung sagen - und ihm dazu vielleicht noch eins überziehen. Dunberry war so groß, dass es mehr als einen Laternenanzünder brauchte, doch jeder Mann hatte ihm zugewiesene Straßen, und ihre Löhne wurden von den Steuern gezahlt, also sollte Tommy seine Pflicht nicht vernachlässigen.
Genauso wie Torry seine Pflicht nicht vernachlässigen sollte. Nein. Eigentlich sollte es gar keine Pflicht sein. Er sollte Zeit mit der Frau verbringen wollen, die er am Ende der Erntezeit heiraten würde. Aber stattdessen saß er drüben in der Schenke, trank mit seinen Freunden Bier und spielte Dart …
Und flirtet mit den Mädchen?, flüsterte eine leise Stimme in ihren Gedanken.
Nein. Torry flirtete nicht. Jedenfalls nicht besonders viel. Gerade genug, um freundlich zu sein. Und jetzt würde er ganz sicher nicht mit anderen Mädchen flirten, nicht nachdem sie und Torry …
Warum nicht?, fragte die Stimme. Wie gut kann es ihm denn schon gefallen haben mit einem Mädchen, das nicht aussprechen kann, was sie getan hat, nicht einmal in ihren eigenen Gedanken?
Sex. Sie hatten Sex gehabt, dachte Erinn grimmig, als sie unter der nächsten erleuchteten Straßenlaterne stehen blieb. Nach dem ersten Mal war es eigentlich ganz schön gewesen, und Torry hatte gesagt, es würde noch schöner, wenn sie einander auf diesem Gebiet besser kennen lernten, also hatte er keinen Grund, sich zu beschweren.
Sich nicht zu beschweren heißt nicht, dass er nicht enttäuscht ist, sich nicht fragt, was andere Mädchen ihm bieten könnten, was du ihm nicht geben kannst - oder willst. Und woher weiß er, dass es besser wird, wenn er diese Dinge nicht schon mit einem anderen Mädchen getan hat? Mit einem Mädchen, das er verlassen hat. Genauso, wie er dich verlassen wird.
Nein. So war Torry nicht.
Ein Glas Bier und Zeit mit seinen Freunden. Bist du sicher, das ist alles, was er in der Schenke wollte? Vielleicht sucht er nach mehr. Oder nach jemanden wie …
Shauna? Jeder wusste, dass Shauna ein ungezügeltes Wesen hatte und nur allzu gern bereit war, den Jungen mehr zu geben als ein paar Küsse. Und sie hatte ein Auge auf Torry geworfen, auch wenn er es nie bemerkt hatte.
Oh, das hat er schon. Du bist diejenige, die nichts sieht.
Ein dunkles, bitteres Gefühl übermannte Erinn, und bei dem Gedanken, Shaunas hübsches Gesicht zu zerkratzen, durchlief sie ein wohliger Schauer. Nein, besser noch. Sie würde der Schlampe die Augen auskratzen. Dann wäre Shauna nicht mehr so hübsch. Dann würde das Miststück keine Köder mehr auslegen und den anständigen Mädchen alles verderben. Dann …
Nach Luft schnappend schüttelte Erinn den Kopf. Warum dachte sie so etwas? Es war, als stecke ein anderer in ihrem Kopf und verlieh flüsternd jedem unangenehmen Gedanken Ausdruck, der sich in ihrem Herzen eingenistet hatte, seit Leidenschaft die Vernunft überwältigt und sie zugelassen hatte, dass Torry sie dazu überredete, die Ehe zu vollziehen, noch bevor das Jawort gesprochen worden war.
Aber sie liebte Torry. Und er liebte sie. Und sie würde diesem albernen Geflüster nicht länger zuhören.
Erinn hob die Hände, und ihre Fäuste schlossen sich um den Mantelstoff vor ihrer Brust, während sie die dunkle Straße hinabstarrte. Keine Laternen waren mehr entzündet. In den Häusern brannte kein Licht. Da war nichts als die Dunkelheit, die sich plötzlich erdrückend anfühlte, fast stofflich - und als sei sie sich ihrer Anwesenheit bewusst.
In der Nähe begann ein Hund zu bellen. Das Geräusch erschreckte sie. Vielleicht hatte er ihre Witterung aufgenommen. Der Wind kam aus der richtigen Richtung.
Oder vielleicht hatte er die Witterung von etwas anderem aufgenommen.
Sie blickte nach rechts. Ein Dienstbotenweg führte zwischen den Gebäuden entlang. Nicht breit genug für einen Wagen oder eine Kutsche, aber eine Abkürzung für Lieferjungen auf Fahrrädern und Leute, die nicht den ganzen Weg außen herum gehen wollten, um auf die Hauptstraße zu gelangen.
Donovans Schenke lag nicht weit entfernt. Sie würde hineingehen und Torry bitten, sie nach Hause zu begleiten. Es kümmerte sie im Augenblick nicht mehr, ob er dachte, sie sei gekommen, um ihm nachzuspionieren. Es kümmerte sie nicht, ob er dachte, es sei
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