Belladonna
Schaden hinwegkommen würde, den Jeb McGuire angerichtet hatte. Wie Julia Matthews wollte auch Lena mit niemandem sprechen, nicht einmal mit ihrem Onkel Hank. Jeffrey wusste nicht, was er für sie tun sollte. Außer ihr Zeit lassen.
Mary Ann Moon hatte ihn exakt eine Stunde und zwanzig Minuten nach ihrem Gespräch angerufen. Der Name von Saras Patientin war Sally Lee McGuire gewesen. Moon hatte sich die Zeit genommen, den Computer unter der Gesamtbelegschaft des Krankenhauses nach diesem Nachnamen suchen zu lassen. Es dauerte nur wenige Sekunden, bis Jeremy McGuires Name auf dem Monitor erschien. Er machte sein Praktikum in der Apotheke des Grady im dritten Stock, und zwar zu der Zeit, als auch Sara in dem Krankenhaus arbeitete. Sara hätte wohl keinen Grund gehabt, mit ihm zusammenzukommen, aber Jeb hätte es sicherlich darauf anlegen können, ihr zu begegnen.
Jeffrey würde niemals Lenas Gesichtsausdruck vergessen, als er die Tür zum Bodenraum eingetreten hatte. Vor seinem geistigen Auge sah er immer die Fotos von Sara, wenn er an Lena dachte, wie sie dort lag, angenagelt an den Fußboden von Jebs Dachboden. Der Raum war eine stockdunkle Höhle. Mattschwarze Farbe bedeckte alles, einschließlich der Sperrholzplatten, die man vor die Fenster genagelt hatte. Schrauben mit Ösen, durch die Ketten liefen, waren in den Fußboden gedreht, und zwei Reihen von Nagellöchern, eine oben, die andere unten, zeugten davon, dass die Opfer hier gekreuzigt worden waren.
Im Auto rieb Jeffrey sich die Augen und versuchte, nicht mehr an all das zu denken, was er gesehen hatte, seit Sibyl Adams ermordet worden war. Als er die Bezirksgrenze von Grant County überquerte, konnte er nur noch denken, dass jetzt alles ganz anders war. Niemals mehr würde er die Leute in der Stadt, die Leute, die seine Freunde und Nachbarn waren, mit demselben Vertrauen betrachten, das er am vergangenen Sonntag um diese Zeit noch besessen hatte. Er stand unter Schock, wie bei einer Schützengrabenpsychose.
Als er in Saras Auffahrt einbog, merkte Jeffrey, dass ihm sogar ihr Haus anders vorkam. Hier hatte Sara sich gegen Jeb wehren müssen. Hier war Jeb ertrunken. Sie hatten seine Leiche aus dem See gezogen, aber die Erinnerung an ihn würde nie verschwunden sein.
Jeffrey saß im Wagen und betrachtete das Haus. Sara hatte ihm gesagt, dass sie Zeit brauchte, aber die würde er ihr nicht geben. Er musste ihr erklären, was ihm durch den Kopf gegangen war. Er musste sich selbst genauso wie ihr klar machen, dass es für ihn absolut nicht in Frage kam, sich aus ihrem Leben fern zu halten.
Die Vordertür stand offen, aber trotzdem klopfte Jeffrey an, bevor er hineinging. Er konnte Paul Simon singen hören. Im Haus stand alles auf dem Kopf. Kartons säumten den Flur, und von den Regalen waren die Bücher geräumt. Er fand Sara in der Küche, mit einer Rohrzange in der Hand. Sie trug ein ärmelloses weißes T-Shirt und eine zerschlissene graue Trainingshose, und er fand, dass sie noch nie schöner ausgesehen hatte. Sie blickte in den Abfluss, als er an den Türknauf klopfte.
Sie drehte sich um und wirkte gar nicht überrascht, dass er vor ihr stand. «Ist das deine Art, mir Zeit zu geben?», fragte sie.
Er zuckte die Achseln, vergrub die Hände in den Hosentaschen. Ein grellgrünes Pflaster bedeckte den Schnitt auf ihrer Stirn, und wo die Glasscherbe ihren Oberarm so tief aufgeschnitten hatte, dass sie hatte genäht werden müssen, trug sie einen weißen Verband. Wie es ihr gelungen war, zu überleben, was sie getan hatte, erschien Jeffrey wie ein Wunder. Ihr Mut und ihre Energie erstaunten ihn.
Der nächste Song von Paul Simon war . Jeffrey versuchte es mit einem Scherz und sagte: «Ist wohl unser Song.»
Sara warf ihm einen argwöhnischen Blick zu und griff dann nach der Fernbedienung. Abrupt hörte die Musik auf, und statt des Songs erfüllte Stille das Haus. Sie schienen beide ein paar Sekunden zu brauchen, um sich auf die Veränderung einzustellen. Sie sagte: «Was tust denn du hier?»
Jeffrey dachte, er sollte vielleicht etwas Romantisches sagen, etwas, das sie dahinschmelzen ließ. Er wollte ihr sagen, dass sie die schönste Frau war, die er je gesehen hatte, und dass er erst verstanden hatte, was Liebe eigentlich bedeutete, als er sie kennen gelernt hatte. Da er aber nichts von alledem herausbrachte, entschied er sich, sie zu informieren.
«Ich habe die Protokolle von deinem Prozess, von
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