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Belladonna

Belladonna

Titel: Belladonna Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karin Slaughter
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auf irgendeine Weise persönlich dafür verantwortlich zu sein, raubte ihm fast die Luft.
    «Jeffrey?»
    Jeffrey atmete tief ein und langsam wieder aus. «Sie bringt gerade Beweismittel nach Macon», antwortete er schließlich. «Ich hab die Highway-Streife angerufen und darum gebeten, dass man sie herschickt.»
    Sara sah ihn an. Ihre Augen waren rot gerändert, aber sie hatte nicht geweint. Darüber war Jeffrey besonders froh, denn er hatte Sara auch noch nie weinen gesehen. Er dachte, wenn er sie weinen sähe, würde auch er schlapp machen.
    «Wusstest du, dass sie blind war?», fragte sie.
    Jeffrey lehnte sich gegen die Wand. Irgendwie hatte er diesen Umstand vergessen. «Sie hat es nicht einmal kommen sehen», flüsterte Sara. Sie senkte den Kopf und sah auf Sibyl hinab. Wie gewöhnlich konnte sich Jeffrey nicht vorstellen, was Sara dachte. Er beschloss zu warten, bis sie sprach. Offenbar brauchte sie eine Weile, um ihre Gedanken zu sammeln.
    Er vergrub die Hände in den Taschen und nahm die Szenerie in sich auf. Da gab es zwei Kabinen mit Holztüren gegenüber einem so alten Waschbecken, dass die Hähne für heißes und kaltes Wasser auf gegenüberliegenden Seiten des Beckens angebracht waren. Darüber hing ein golden gesprenkelter Spiegel, der an den Rändern bereits abgeblättert war. Insgesamt war der Raum unter zehn Quadratmeter groß, und die winzigen schwarzen und weißen Kacheln auf dem Boden ließen ihn sogar noch kleiner erscheinen. Die dunkle Blutlache um den Leichnam verschlimmerte den Eindruck. Mit Klaustrophobie hatte Jeffrey nie Probleme gehabt, aber Saras Schweigen wirkte wie die Anwesenheit einer vierten Person. Im Bemühen um Distanz sah er hinauf zur weißen Decke.
    Endlich sprach Sara. Ihre Stimme klang kräftiger, selbstsicherer. «Sie saß auf der Toilette, als ich sie gefunden habe.»
    Da ihm nichts Besseres einfiel, holte Jeffrey einen kleinen Notizblock mit Spiralbindung hervor. Er zog einen Stift aus der Brusttasche und schrieb mit, während Sara die Ereignisse bis zum gegenwärtigen Augenblick schilderte. Ihre Stimme wurde ausdruckslos, als sie Sibyls Tod monoton in allen klinischen Einzelheiten schilderte.
    «Dann bat ich Tess, mir mein Handy zu bringen.» Sara sprach nicht weiter, und Jeffrey beantwortete ihre Frage, noch bevor sie sie gestellt hatte.
    «Sie ist okay», beruhigte er sie. «Auf dem Weg hierher hab ich dann Eddie angerufen.»
    «Hast du ihm gesagt, was geschehen ist?»
    Jeffrey versuchte ein Lächeln. Saras Vater zählte nicht gerade zu seinen größten Fans. «Ich hatte Glück, dass er nicht einfach aufgelegt hat.»
    Sara lächelte nicht gerade, aber jetzt endlich sah sie Jeffrey in die Augen. In ihrem Blick war eine Verletzlichkeit, die er seit Ewigkeiten nicht mehr gesehen hatte. «Ich muss die Vorbeschau machen, dann können wir sie ins Leichenschauhaus bringen.»
    Jeffrey schob den Notizblock in die Jackentasche, während Sara Sibyls Kopf sanft zu Boden gleiten ließ. Sie hockte sich auf die Fersen und wischte die Hände hinten an ihrer Hose ab.
    Sie sagte: «Ich möchte sie hergerichtet haben, bevor Lena sie zu sehen bekommt.»
    Jeffrey nickte. «Sie ist noch mindestens zwei Stunden entfernt. Da sollten wir genug Zeit haben, um die Spuren zu sichern.» Er deutete auf die Kabinentür. Das Schloss war aufgebrochen. «War das Schloss schon in dem Zustand, als du sie gefunden hast?»
    «Das Schloss ist in dem Zustand, seit ich sieben bin», sagte Sara und zeigte auf ihre Aktentasche neben der Tür. «Reich mir ein Paar Handschuhe.»
    Jeffrey öffnete die Tasche und achtete darauf, dass er die blutigen Griffe nicht berührte. Aus einer Innentasche zog er ein Paar Latexhandschuhe. Als er sich umdrehte, stand Sara zu Füßen der Leiche. Ihre Haltung hatte sich verändert, und trotz der Blutflecken auf der Vorderseite ihrer Kleidung schien sie sich wieder unter Kontrolle zu haben.
    Dennoch musste er sie fragen: «Bist du sicher, dass du das hier tun willst? Wir könnten auch jemanden aus Atlanta kommen lassen.»
    Sara schüttelte den Kopf, während sie sich routiniert die Handschuhe überstreifte. «Ich will nicht, dass ein Fremder sie berührt.»
    Jeffrey verstand sehr wohl, was sie meinte. Das hier war eine Angelegenheit des County. Und daher würden sich Menschen, die zum County gehörten, ihrer annehmen.
    Sara stemmte die Hände in die Hüften und ging um die Leiche herum. Er wusste, dass sie versuchte, einen unbefangenen Blick für das Geschehen zu gewinnen, sich

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