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Belladonna

Belladonna

Titel: Belladonna Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karin Slaughter
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im Großen und Ganzen betrachtet, kaum mehr als ein Kurierjob, aber Lena war froh, dazu eingeteilt worden zu sein. Jeffrey hatte gesagt, sie könne den Tag nutzen, um sich abzuregen. Das hieß, freundlich ausgedrückt, sie möge ihr hitziges Temperament unter Kontrolle bringen. Frank Wallace und Lena bekamen einander ständig in die Wolle wegen eines speziellen Problems, das von Anfang an ihre partnerschaftliche Zusammenarbeit beeinträchtigt hatte. Der achtundfünfzigjährige Frank war nämlich nicht besonders erbaut davon, dass Frauen bei der Polizei Dienst taten, und noch weniger gern sah er eine Frau als Partnerin an seiner Seite. Sehr oft schloss er Lena bei Ermittlungen aus, während sie ständig versuchte, ihre Beteiligung zu erzwingen. Es musste etwas passieren. Da Frank jedoch in zwei Jahren pensioniert wurde, wusste Lena, dass sie eigentlich nur in Ruhe abzuwarten brauchte.
    In Wahrheit war Frank gar kein so übler Kerl. Auch wenn er unter jener Verschrobenheit litt, die fortgeschrittenes Alter mit sich bringt, schien er sich doch alle Mühe zu geben. An einem guten Tag vermochte sie zu erkennen, dass seine anmaßende Art nicht seinem Ego entstammte, sondern tiefer begründet war. Er zählte zu der Sorte Männer, die Frauen die Türen aufhielten, und im Haus nahm er stets seinen Hut ab. Frank war sogar Mitglied bei den Freimaurern. So jemand ließ seine weibliche Partnerin keine Vernehmung führen, geschweige denn, dass er ihr das Kommando bei einer Razzia überließ. An einem schlechten Tag hätte Lena ihn am liebsten in seiner Garage eingesperrt und den Motor seines Wagens gestartet.
    Jeffrey hatte Recht damit gehabt, dass der Ausflug ihr half, sich abzuregen. Lena war zeitig in Macon angekommen, hatte dank der Sechszylindermaschine des Celica eine halbe Stunde gutgemacht. Sie mochte ihren Boss, der das absolute Gegenteil von Frank Wallace war. Frank handelte strikt aus dem Bauch heraus, während Jeffrey eher ein Kopfmensch war. Jeffrey zählte zudem zu jenen Männern, die sich in Gesellschaft von Frauen wohl fühlten und nichts dagegen hatten, wenn diese ihre Meinung zum Ausdruck brachten. Die Tatsache, dass er Lena schon vom ersten Tag an dazu aufgebaut hatte, einmal den Rang eines Detective zu bekleiden, war ihr nicht entgangen. Jeffrey hatte sie nicht befördert, um eine vom County festgelegte Quote zu erfüllen oder um besser dazustehen als sein Vorgänger: Das hier war schließlich Grant County, mit einer Stadt, die bis vor fünfzig Jahren noch auf keiner Landkarte verzeichnet gewesen war. Jeffrey hatte Lena den Job anvertraut, weil er ihre Arbeit und ihren Verstand schätzte. Die Tatsache, dass sie eine Frau war, hatte damit nichts zu tun.
    «Scheiße», zischte Lena, als sie das Blaulicht hinter sich aufblitzen sah. Sie nahm Gas weg und fuhr rechts ran, der Civic fuhr an ihr vorbei. Der Yankee hupte und winkte. Jetzt war Lena an der Reihe, dem Mann aus Ohio den Finger zu zeigen.
    Der Beamte der Georgia Highway Patrol stieg in aller Ruhe aus seinem Wagen. Lena griff nach ihrer Handtasche auf dem Rücksitz und kramte nach ihrer Dienstmarke. Als sie sich wieder umdrehte, stellte sie zu ihrer Überraschung fest, dass der Cop direkt hinter ihrem Wagen stand. Die Hand hatte er an der Waffe, und sie hätte sich dafür ohrfeigen können, dass sie nicht gewartet hatte, bis er herangekommen war. Wahrscheinlich nahm er jetzt an, dass sie nach einer Waffe suchte.
    Lena ließ die Dienstmarke auf den Schoß fallen und hob die Hände. «Tut mir Leid», sagte sie zum offenen Fenster hinaus.
    Der Cop trat zögernd einen Schritt auf sie zu, und seine kantigen Kiefer mahlten, als er neben dem Wagen stand. Er nahm die Sonnenbrille ab und musterte sie prüfend.
    «Hören Sie», sagte sie, die Hände noch immer erhoben. «Ich bin im Dienst.»
    Er unterbrach sie. «Sind Sie Detective Salina Adams?»
    Sie senkte die Hände und sah den Streifenpolizisten fragend an. Er war recht klein, aber sein Oberkörper war auf eine Weise muskulös, wie man es oft bei kleinen Männern findet, die den Mangel an Körpergröße überkompensieren. Seine Arme waren so dick, dass sie von seinem Körper abstanden. Sein Oberkörper schien aus den Nähten seiner Uniform platzen zu wollen.
    «Lena heiße ich», sagte sie und warf einen Blick auf sein Namensschild. «Kenne ich Sie?»
    «Nein, Ma'am», erwiderte er und stülpte sich seine Sonnenbrille wieder auf. «Wir haben einen Anruf von Ihrem Chief bekommen. Ich soll Sie nach Grant County

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