Belladonna
sah. «Was?»
«Sie wurde vergewaltigt?», fragte er und suchte bei Sibyl Adams nach auffälligen Anzeichen von Gewaltanwendung. Es waren jedoch weder Quetschungen an ihren Oberschenkeln noch Abschürfungen im Beckenbereich zu entdecken. «Hast du was gefunden?»
Sara war stumm. Schließlich sagte sie aber: «Nein. Ich meine, ich weiß nicht.» «Was hast du denn gefunden?»
«Nichts.» Ihre Gummihandschuhe schmatzten, als sie sie von den Fingern zog. «Nur das, was ich dir gesagt hab. Ich kann das hier im Schauhaus zu Ende bringen.»
«Ich kann nicht -»
«Ich werde Carlos anrufen, damit er sie abholt», sagte sie und bezog sich damit auf ihren Assistenten. «Treffen wir uns dort, wenn du hier fertig bist, okay?» Als er nicht antwortete, sagte sie: «Wegen der Vergewaltigung, ich weiß es nicht, Jeff. Wirklich nicht. Es war nur eine Vermutung.»
Jeffrey wusste nicht, was er sagen sollte. Er wusste nämlich nur zu genau, dass seine Exfrau auf ihrem Fachgebiet niemals Vermutungen anstellte. «Sara?», fragte er. Und dann: «Geht es dir gut?»
Sara lachte freudlos. «Ob es mir gut geht?», wiederholte sie. «Mein Gott, Jeffrey, was für eine blöde Frage.» Sie ging zur Tür, öffnete sie aber nicht. Dann sagte sie kurz und bündig: «Du musst die Person finden, die das hier getan hat.»
«Ich weiß.»
«Nein, Jeffrey.» Sara drehte sich um und sah ihn durchdringend an. «Das hier ist ein ritueller Gewaltakt, keine Zufallstat. Sieh dir ihren Körper an. Sieh doch, wie sie hier zurückgelassen wurde.» Sara hielt inne, sprach dann weiter. «Wer immer Sibyl Adams getötet hat, muss es sorgfältig geplant haben. Er wusste, wo er sie finden konnte. Er ist ihr auf die Toilette gefolgt. Das hier ist ein kalkulierter Mord, verübt von jemandem, der damit ein klares Zeichen setzen wollte.»
Als ihm klar wurde, dass sie Recht hatte, fühlte er sich wie vor den Kopf geschlagen. Er hatte diese Art Mord schon gesehen. Er wusste ganz genau, wovon sie sprach. Das war nicht das Werk eines Amateurs. Wer immer dies hier getan hatte, putschte sich wahrscheinlich schon in diesem Moment zu einer weitaus dramatischeren Tat auf.
Sara schien immer noch nicht zu glauben, dass er verstanden hatte. «Meinst du, dass er es bei einem Mord belassen wird?» Diesmal zögerte Jeffrey nicht einen Moment. «Nein. »
DREI
Lena Adams schaute stirnrunzelnd auf den blauen Honda Civic vor sich und betätigte die Lichthupe. Die ausgeschilderte Geschwindigkeitsbegrenzung auf diesem Stück der Georgia I-20 war fünfundsechzig, aber wie die meisten Landbewohner Georgias sah auch Lena in den Schildern kaum mehr als einen wohlgemeinten Rat an die Touristen, die nach Florida fuhren oder von dort kamen. Und wie konnte es auch anders sein - die Nummernschilder des Civic waren aus Ohio.
«Nun mach schon», stöhnte sie und schaute auf den Tacho. Sie war eingeklemmt zwischen einem riesigen Laster zu ihrer Rechten und dem Yankee in seinem Civic vor sich, und der war anscheinend entschlossen, sie nur ein bisschen über der erlaubten Geschwindigkeit zu halten. Einen kurzen Moment lang wünschte sich Lena, sie hätte einen der Streifenwagen von Grant County genommen. Nicht nur dass es sich darin angenehmer fuhr als in ihrem Celica, sondern überdies hatte man das Vergnügen, den Rasern einen Höllenschreck einjagen zu können.
Wie durch ein Wunder wurde der Laster langsamer und ließ den Civic vor sich einscheren. Lena reagierte auf die rüde Geste des Fahrers mit einem fröhlichen Winken. Sie konnte nur hoffen, dass er seine Lektion gelernt hatte. Eine Autofahrt durch den Süden war Darwinismus in Reinkultur.
Der Tacho des Celica kletterte auf fünfundachtzig, als sie die Stadtgrenze von Macon hinter sich ließ. Lena nahm eine Kassette aus ihrer Hülle. Sibyl hatte ihr speziell Musik zum Autofahren aufgenommen. Lena schob die Kassette ein und lächelte, als die Musik anfing, weil sie die ersten Takte von Joan Jetts Beweismaterial zum Labor des Georgia Bureau of Investigation nach Macon zu transportieren war,
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