Belles Lettres
Cyrus Tooling Jr., des gegenwärtigen Verlegers der Protean -Gruppe, eines Sohns des Unternehmensgründers. Mrs. Tooling brachte den kulturellen Zeitschriften des Unternehmens besonderes Interesse entgegen. Ich beobachtete sie amüsiert, wenn sie ihre monatlichen Konferenzen mit der Beiles Lettres Redaktion abhielt. Sie war eine dominante Frau, etwa fünfundvierzig Jahre alt, mißtrauisch, elegant gekleidet, schwarze Augen, mit denen sie uns abschätzig musterte. Sie führte das große Wort. Gelegentlich stellte sie auch eine Frage, wartete die Antwort aber erst gar nicht ab. Oder sie hörte sich die Antwort an und nickte, wenn sie sich bestätigt fühlte. Oder sie hörte nicht auf das, was wir sagten, sondern verstand nur das, was sie hören wollte. Als sich zum Beispiel einer von uns beklagte, daß er ein größeres Büro brauchte, sagte sie schließlich: «Also gut, dann kriegen Sie eben eine Gehaltserhöhung.»
«Ich weiß nicht, warum sie mich nicht leiden kann», sagte Mr. Margin. «Ich befolge ihre Anweisungen so penibel, daß sogar sie mir erklären kann, was sie von mir wollte. Ich streite mich nie mit ihr. Ich rede nicht schlecht über sie. Es stimmt schon, daß wir aus unterschiedlichen Verhältnissen kommen. Aber wir sind hier immerhin bei Protean Publications, wo die verschiedensten Strömungen des amerikanischen Journalismus zusammenlaufen, und zwar harmonisch und profitabel.» Das letzte Wort klang irgendwie falsch, und Mr. Margin machte eine Pause, um es in seiner Rede sacken zu lassen. «Frank, während der kurzen Zeit, die Sie bei Belles Lettres sind, haben Sie sich als scharfer Beobachter erwiesen. Wissen Sie irgend etwas, das vielleicht. die Situation entschärfen könnte?»
Er wollte Klatsch hören. «Was halten Sie eigentlich von Mrs. Tooling?» fragte ich.
Er straffte sich. «Was ich von Mrs. Tooling halte? Ich finde, sie ist ein...» Nun folgte eine entsetzlich lange Suche nach dem treffenden Wort, das sich dann als «Drahtbesen» entpuppte.
«Könnte es sein, daß Mrs. Tooling Sie nicht leiden kann, weil Sie sie nicht leiden können?»
Auf die Idee war Mr. Margin noch gar nicht gekommen und wirkte verblüfft, als er darüber nachdachte. Als er wieder zu sich kam, sagte er: «Glauben Sie, daß sich etwas. an der Situation ändern ließe?»
«Wenn Sie ihr gegenüber plötzlich freundlich auftreten, weiß sie natürlich, daß Sie schwindeln. Da gäben Sie sich eine Blöße. Ich würde zu Flüsterpropaganda raten, Mr. Margin.»
«Flüsterpropaganda», sagte er. «Jawohl, und bei der heutigen Konferenz halten wir außerdem die Augen offen und richten unsere Antennen aus, nicht wahr? Es versteht sich wohl von selbst, Frank, daß diese Sache unbedingt unter uns bleiben.»
«Selbstverständlich», sagte ich.
Was für eine beschissene Situation, dachte ich, und das in Mr. Margins Alter. Er ist ein hoch angesehener Redakteur. Er ist seit zehn Jahren Mitglied der Grolier-Gesellschaft und inzwischen in der Zulassungskommission. Er steckt die Prügel weg, die er von Verlegern wie Lyle Stuart bekommt, weil Beiles Lettres dessen Bücher nicht rezensiert, und er hört solchen Leuten wie Don Fine freundlich zu («Jonathan, Sie wissen, daß ich mich nie beklage, aber...»). Er schafft es auch, daß nur die besten Autoren für ihn schreiben, und zwar für Honorare, die deutlich niedriger als bei anderen Zeitschriften sind. Dennoch wäre niemand scharf darauf, einem annähernd qualifizierten, neunundvierzigjährigen Redakteur einen Job für das Gehalt anzubieten, auf das sich Mr. Margin hochgearbeitet hat. Ich hatte den Eindruck, daß eine akademische Karriere für ihn besser gewesen wäre. Dann wäre er inzwischen Fachbereichsdirektor an einem guten oder Präsident an einem mittelmäßigen College gewesen. In beiden Fällen hätte er es dann mit Leuten zu tun gehabt, mit denen er sich besser verstünde als mit Mary Tooling.
Mrs. Tooling erwartete uns im großen Konferenzsaal von Protean. Sie präsidierte am Kopf des langen Tisches, und Mr. Margin nahm seinen Platz am anderen Ende ein. Sie sahen aus wie Mann und Frau, und wir anderen waren wie die Kinder, die an den Seiten des Tisches saßen.
«Marge», begann Mrs. Tooling, «ich habe gestern mit Dick Snyder zu Mittag gegessen. Dick Snyder», erklärte sie uns Ahnungslosen, «ist der Chef von Simon and Schuster. Dick findet, daß Belles Lettres stinkt. Ich sagte, ‹ Dick, wie meinen Sie das › . ‹ Stinkt › , sagte er. ‹ Stinkt.
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