Belles Lettres
Gast-Theaterkritiker fürs New York Magazin; beliebter Korrespondent des New York Statesman für antiamerikanische Beiträge; und kein Monat verstrich, in dem nicht zwei bis drei seiner Features in diversen Magazinen landesweite Verbreitung fanden. Er hatte drei Bücher veröffentlicht und Verträge für vier weitere abgeschlossen. Er produzierte auf hohem Niveau derartige Mengen, daß Wilfrid Sheed ihn einmal verdächtigte, eineiige Zwillinge zu sein. Mit der Entscheidung für ihn waren fast alle glücklich. Die Belles-Lettres -Redakteure hatten während der turbulenten Sechziger Jahre keinerlei Impulse setzen können und konnten es kaum abwarten, endlich von der Leine gelassen zu werden. Selbst die Intellektuellen, die normalerweise gegenüber einem so jungen und glänzenden Mann mißtrauisch gewesen wären, schienen einverstanden zu sein. Tooling selbst glaubte vermutlich, er habe sich auf etwas Waghalsiges, wenn nicht Gewaltiges eingelassen. «Protean Publications», sagte er, «ist stolz und glücklich, diese erhabene kulturelle Verantwortung in die Hände der nächsten Generation zu legen. Man hat mich gefragt, ob ich Skippy Overleaf nicht als zu jung für diese Aufgabe erachte, worauf ich geantwortet habe: «Denken wir immer daran, daß Napoleon in Skippys Alter bereits eine Armee befehligte.» Unbehagen empfanden lediglich die Verlage. Ein Vertreter von Doubleday faßte diese Gefühle in einer Eloge auf den scheidenden Backstrip zusammen: «Ich bringe Effies Stärken auf diesen Punkt: Er las gern mal ein gutes Buch, und wenn ihm eins besonders gefiel, vermittelte er sein Vergnügen gern den Leuten. Und wenn er das tat, dann nannte er auch gleich den Titel, den Namen des Autors, den Verlag und den Preis, und diese Angaben waren immer korrekt. In meinen Augen war Effie der ideale Buchverkäufer.»
Alles in allem erwies sich Overleaf als unsteter Teilzeit-Chefredakteur. Er produzierte weiterhin soviel wie vorher. Ein Belles-Zettres-Redakteur sagte dazu: «Skippy schenkte uns etwa einen Tag pro Woche - das heißt, wenn er nicht gerade anderweitig beschäftigt war.» Wie konnte die Zeitschrift überhaupt erscheinen? «Es lief halt irgendwie. Natürlich war der Tag, an dem Skippy anwesend war, voller Überraschungen. Er war eine Silvesterrakete mit einer Extraration Funkenregen. In seinem zweiten Monat passierte diese Vietnam-Geschichte. Damals dachten wir, die Marines würden die Redaktion besetzen.» Die Vietnam-Geschichte war eine zehntausend Worte lange Sammelrezension über die gesamte Anti-Kriegs-Literatur, die landesweit bei kleineren und großen Verlagen erschienen war. Sie war entsprechend heterogen und unübersichtlich. Der Großteil bestand aus pamphletistischen Breitseiten, darunter die Forderung, Johnson, Nixon und ihre Helfershelfer müßten als Kriegsverbrecher a la Nürnberg angeklagt werden.
Overleaf vergab den Auftrag und brachte den Beitrag, ohne Tooling die leiseste Warnung zu geben, dessen politische Einstellung derjenigen der meisten amerikanischen Geschäftsleute entsprach: daß nämlich alles, was in diesem Fall gut für Protean Publications ist, auch gut für Amerika sein müsse. Er war außer sich, daß einer seiner Mitarbeiter eine seiner Zeitschriften für ideologische Zwecke mißbraucht hatte, und er war drauf und dran, Overleaf fristlos zu feuern. Man warnte ihn jedoch, daß der Rauswurf als politisches Signal interpretiert werden würde, und politische Signale wollte er auf keinen Fall setzen. Das Beste wäre, die Sache abkühlen zu lassen und Overleaf später zu feuern. Der Vietnam-Artikel fand gleichwohl ein ausgesprochen positives Echo; er wurde in fast allen europäischen Ländern nachgedruckt; und Tooling glaubte eine Weile wieder daran, doch den richtigen Mann angeheuert zu haben.
Aber Overleaf und Belles Lettres zeigten sich ihrer Aufgabe nicht gewachsen. Die Auswahl der rezensierten Bücher wirkte willkürlich, wenn nicht gar absurd, und die Wahl der Rezensenten war eine einzige Provokation. The Village Voice, hoch erfreut, daß ein großer kommerzieller Verlag wie Protean mit seinem eigenen Chefredakteur haderte, verulkte Overleaf: «Es war höchste Zeit, uns darüber aufzuklären, was Drogendealer, Schwanzlutscher, beinharte Frauen und männliche Softies, Heroinschmuggler und Schneeschnüffler über Bücher denken. Du weißt, wo's lang geht, Skipper. Halt Kurs!»
Den Hals brach Overleaf schließlich die dreißigtausend Worte lange, schrittweise Anleitung eines
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