Ben - Alles auf Anfang (German Edition)
studieren wollte? In welchem Jahrhundert lebten wir denn?
Aber bitte – wenn er dachte, dass er mich auf die Weise dazu bringen konnte, zu Kreuze zu kriechen und zu tun, was er verlangte – wir würden ja sehen, wer den längeren Atem hatte!
Es konnte ja wohl nicht so schwer sein, eine Wohnung für mich aufzutreiben! Überall auf der Welt lebten Menschen allein, da wäre es doch gelacht, wenn ich das nicht auch schaffte!
Und irgendeinen Job von dem ich leben konnte, ohne mir dabei den Buckel krumm zu schuften, würde ich schon bekommen! Ich war schließlich jung, gesund, charmant und sah gut aus. Da ließ sich doch sicher irgendwas machen!
Hetero, spießig und verklemmt ...
Heute, vierzehn Tage später sehe ich die Sache ein klein wenig realistischer. Eine winzige Zweizimmerwohnung in einer Plattenbausiedlung habe ich zwar gefunden, aber schon das ist wirklich nicht so einfach gewesen, wie ich gedacht hatte. Und das einzig Positive an der Bude ist eigentlich nur die Tatsache, dass sie billig ist.
Arbeit habe ich nämlich noch keine, und da mein Vater mir bereits am Morgen nach unserer Auseinandersetzung den Zugang zu sämtlichen Konten außer meinem eigenen kleinen Sparbüchlein von früher hat sperren lassen, gehört mir nur mehr ein Betrag von rund 5000 Euro. Das klingt vielleicht nach viel, aber bei Licht betrachtet ist es das ganz und gar nicht und außerdem bereits zusammengeschmolzen wie Butter in der Sonne.
Ein ordentlicher Batzen ging schon für die ersten beiden Monatsmieten, die Einbauküche vom Vormieter und die Kaution drauf und eine weitere, kleinere Summe für Geschirr, Wäsche, Lebensmittel und was man sonst noch so alles braucht, wenn man allein lebt.
Ein Auto besitze ich auch nicht mehr, denn ich hatte immer ohne lange zu überlegen irgendeinen der Wagen benutzt, die gerade in der Garage herumstanden, welche aber natürlich sämtlich meinem Vater oder manchmal einem meiner Brüder gehörten. Ergo – stehe ich jetzt ohne fahrbaren Untersatz da und muss Bus fahren wenn ich irgendwo hin will. Und auch das ist nicht umsonst!
Nachdem ich in mir in meiner Clique Luft gemacht hatte, trennte sich auch dort sehr schnell die Spreu vom Weizen, und es war erstaunlich, was viele meiner sogenannten „Freunde“ plötzlich alles zu tun hatten, wenn ich einen von ihnen anrief und um irgendeine Form der Hilfe bat.
Am Ende blieben dann nur noch drei Leute übrig, denen es nichts auszumachen schien, dass ich plötzlich nicht mehr der gewohnt spendierfreudige Kumpel war.
Diese Drei, Manni, Jörn und Robin, waren gern bereit, mir beim Umzug zu helfen und leisten mir auch jetzt Gesellschaft, als sich am ersten Abend in meiner neuen Wohnung der Staub legt und die veränderte Weltordnung endgültigen Zugang in mein Bewusstsein findet.
Ich bin nun nicht mehr länger Benjamin Böttinger, der Sohn von …, wohlhabend und Schwiegermuttis Traum, ab heute bin ich nur noch Ben, der Arbeitslose von nebenan.
Keine erhebenden Aussichten.
Erst recht nicht, als ich nun in der langsam hereinbrechenden Abenddämmerung in meiner noch reichlich kahlen Bude stehe, beleuchtet von einer nackten, funzeligen Glühbirne an der Decke und mit einer Flasche Bier in der Hand, aus dem Kasten, den meine drei Freunde mitgebracht haben.
Obwohl sie noch bei mir sind, fühle ich mich unendlich allein und verlassen, in der neuen, noch fremden Umgebung. Verlassen und vom Leben ungerecht behandelt.
Ich nehme einen Schluck und starre dabei aus dem Fenster in den sich rötenden Himmel. Meine Wohnung liegt im vierten Stock und das ist ganz gut so, denn wenn man so wie ich gerade, aus der Mitte des Raumes nach draußen schaut, sieht man ein nur großes Stück Himmel und Dächer.
Der Innenhof, mit seinen Mülltonnen, kaputten Fahrrädern, geplatzten Müllsäcken und was da sonst noch alles rumliegt, ist nur sichtbar, wenn man dicht ans Fenster herantritt und den Blick direkt nach unten richtet.
„Na, komm, Ben! Setz` dich, Kumpel und trink` dein Bier mit uns zusammen!“ Manni steht hinter mir und lässt seine große Hand schwer auf meine Schulter fallen. Wir sind alle Vier verschwitzt und müde, und vermutlich ist das auch der Grund, dass ich mich auf einmal so hundsmiserabel fühle.
Ich will nicht hier sein. Ich will zurück in mein Zimmer, unter dem Dach der Böttinger`schen Villa, mit Blick über den parkähnlichen Garten, schrägen Wänden und dickem Teppichboden,
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