Ben - Alles auf Anfang (German Edition)
wo ich mich um nichts zu kümmern brauche.
Aber das ist ein für allemal vorbei, und um nichts in der Welt hätte ich zugegeben, dass ich mich jetzt schon zurücksehne. Erst recht nicht vor meinen Freunden.
Meine Brüder halten mich sowieso allesamt für völlig verrückt, weil ich tatsächlich ausgezogen bin. Markus, der Älteste von uns hat den Kopf geschüttelt und gemeint: „Was ist denn so schlimm daran, zu studieren? Es gibt doch kaum was Schöneres als das Studentenleben, Junge! Und was das Andere betrifft, das mit deinem Schwulsein – da wird sich Paps schon dran gewöhnen! Sei vernünftig und bleib hier!“
Aber mir ist nicht nach Vernunft.
Ich werde ums Verrecken nicht klein beigeben! Dafür bin ich viel zu stolz und zu stur. …
Oder – zu blöd?
Ich kneife die Lippen zusammen. Nein, ich bin es bestimmt nicht, der hier blöd ist! Mein Vater hat sich in den Tagen, die ich noch unter dem elterlichen Dach verbracht habe, mehr als rar gemacht und von sich aus überhaupt nicht mehr meine Nähe gesucht, oder gar ein Gespräch.
…
Genauso wenig wie ich.
…
Meine Mutter dafür umso mehr.
Sie ist mir fast nicht mehr von der Pelle gewichen und hat wirklich alle Register gezogen, um mich zum Bleiben zu überreden. Ergebnislos.
Wäre ich ganz und gar ehrlich zu mir selber, müsste ich mir eingestehen, dass ich nicht wirklich zuhause weg wollte. Aber mein kindischer Trotz beharrt darauf, mich im Recht zu befinden und mein Vater im Unrecht, und bevor er das nicht zugibt, würde ich eher im Park oder unter einer Brücke campieren, als zu bleiben und mich seinem Willen unterzuordnen.
Mit Gewalt schüttele ich diese Gedanken ab, wende mich um und setze mich auf das Sofa zu meinen Freunden.
Meine Möbel wirken seltsam deplatziert, hier, in den kleinen Räumen.
Mein großes Doppelbett belegt im Schlafzimmer fast den gesamten freien Platz, ich kann eben noch darum herum gehen, und die Schranktüren lassen sich ebenfalls gerade noch so öffnen.
Couchgarnitur, Stereo-Anlage und Flachbildfernseher samt Spielekonsole hätten auch wesentlich besser in ein schickes Loft oder Penthouse gepasst, aber Teufel auch – die Sachen gehören mir, und mir wäre nicht im Traum eingefallen, sie zurück zu lassen. Genauso wenig wie meinen Computer und mein Laptop. Die Sachen ballen sich unter dem Fenster auf einer Seite des kleinen Wohnzimmers, zusammen mit mehreren Kartons voller DVDs, CDs und Games für die Playstation.
Dafür ist die Küche deutlich bescheidener möbliert. Die Küchenzeile mit Herd und Kühlschrank war wie gesagt schon vom Vormieter vorhanden, Einbauschränke ebenfalls, bloß für einen Esstisch, Stühle, Geschirr und Besteck habe ich sorgen müssen und das sogar schon getan, einem großen schwedischen Einrichtungshaus sei Dank.
Allerdings wartet das meiste davon noch in Kartons und Kisten aufs Auspacken, Aufstellen und Einräumen. Lust habe ich dazu keine. Jetzt nicht, und ich bezweifle, dass ich sie je haben werde. Aber irgendwann werde ich es schon machen. Es bleibt mir ja auch nichts anderes übrig.
„Wie sieht`s denn jobmäßig aus? Was gefunden inzwischen?“, unterbricht Robin meine erneute Gedankenakrobatik. Ich schüttle den Kopf.
„Nein, bis jetzt nicht.“ Er grinst mich an und lehnt sich zurück.
„Kann es sein, dass das auch ein bisschen mit deiner Allergie gegen körperliche Arbeit zusammenhängt?“
Ich schnaufe etwas genervt.
„Ich hab keine Allergie gegen körperliche Arbeit!“, erwidere ich scharf. „Aber deshalb muss ich ja wohl noch längst nicht gleich das Erstbeste nehmen, was mir angeboten wird, oder?“
Die Drei feixen sich an und verärgert nehme ich einen weiteren Schluck Bier. Einen großen, denn auch wenn ich das nicht zugeben mag, so ganz unrecht hat Robin nicht. Ich habe tatsächlich wenig Lust, einen Job anzunehmen, bei dem ich von morgens bis abends bloß buckeln muss. Ich meine, wo bleibt da der Spaß? In aller Herrgottsfrühe raus aus dem warmen Bett, dann acht oder zehn Stunden malochen, bis ich wieder ins Bett falle, und am Ende des Monats ist trotzdem Schmalhans Küchenmeister? Das ist doch kein Leben!
Natürlich ist mir auf einer rationalen Ebene klar, dass mir nichts Anderes übrigbleiben wird, als irgendeine Art von Broterwerb aufzunehmen und dass das nicht unbedingt ein Zuckerschlecken wird, weiß ich auch. Ich habe zwar mein Abitur, aber von einer
Weitere Kostenlose Bücher