Benedikt XVI
empfohlen, aber er hat ihnen eine andere Ausrüstung gegeben: "Ich
sende euch den Geist", versprach er. Ist damit ein Zugang zu einem Denken
verbunden, das über das Gewöhnliche hinausführt? Eine Art spirituelle
Intelligenz, die wir heute ganz neu entdecken könnten?
Man darf es sich natürlich nicht
zu mechanisch vorstellen. Nicht so, dass da zu unserer gewöhnlichen Existenz
sozusagen noch ein weiteres Stockwerk dazukommt. Aber in dem Sinne, dass der
innere Kontakt mit Gott durch, mit und in Christus in uns wirklich neue Möglichkeiten
eröffnet und unser Herz und unseren Geist weiter macht, gibt der Glaube unserem
Leben in der Tat eine weitere Dimension.
Das wäre vielleicht so etwas wie
ein Meta-Net, unendlich schneller als das Internet, in jedem Fall aber freier,
wahrer und positiver.
Was ja mit " Communio Sanctorum "
ausgedrückt wurde: dass wir alle irgendwie in einer tieferen Verbindung stehen
und uns, auch wenn wir uns nie gesehen haben, erkennen, weil der gleiche Geist,
der gleiche Herr in uns wirkt.
In Ihrer Rede in Lissabon erklärten
Sie, ein vorrangiger Auftrag der Kirche bestehe heute darin, die Menschen fähig
zu machen, "über die vorletzten Dinge hinauszublicken - und nach den
letzten zu suchen". Die Lehre von den "Letzten Dingen" ist ein
zentrales Glaubensgut. Sie behandelt Themen wie Hölle, Fegefeuer, Antichrist,
Verfolgung der Kirche in der Endzeit, Wiederkunft Christi und Letztes Gericht.
Warum herrscht in der Verkündigung ein so auffallendes Schweigen zu eschatologischen Themen, die doch im Gegensatz zu manchen
kircheninternen "Dauerbrennern" tatsächlich von existentieller Natur
sind und jedermann angehen?
Das ist eine ganz ernste Frage.
Unsere Predigt, unsere Verkündigung ist wirklich einseitig weitgehend auf die
Gestaltung einer besseren Welt ausgerichtet, während die wirklich bessere Welt
kaum noch erwähnt wird. Hier müssen wir eine Gewissenserforschung machen.
Natürlich versucht man, den Hörern entgegenzukommen, ihnen das zu sagen, was
in ihrem Horizont liegt. Aber unsere Aufgabe ist gleichzeitig, diesen Horizont
aufzusprengen, zu weiten und auf das Letzte hinzuschauen.
Diese
Dinge sind ein hartes Brot für die Menschen von heute. Sie erscheinen ihnen
irreal. Sie möchten stattdessen konkrete Antworten für jetzt, für die Drangsal
des Alltags. Aber diese Antworten bleiben halb, wenn sie nicht auch fühlen und
inwendig erkennen lassen, dass ich über dieses materielle Leben hinausreiche,
dass es das Gericht gibt, und dass es die Gnade gibt und die Ewigkeit. Insofern
müssen wir auch neue Worte und Weisen finden, um den Menschen den Durchbruch
durch die Schallmauer der Endlichkeit zu ermöglichen.
Alle
Prophezeiungen Jesu sind wahr geworden, nur eine steht noch aus: die seiner
Wiederkehr. Erst ihre Erfüllung macht das Wort von der "Erlösung"
ganz wahr. Sie haben den Begriff vom " eschatologischen Realismus" geprägt. Was heißt das genau?
Es heißt, dass diese Dinge nicht
Fata Morgana und irgendwie erfundene Utopien sind, sondern dass sie exakt die
Realität treffen. Wir müssen uns in der Tat immer auch gegenwärtig halten, dass
Er uns mit der größten Gewissheit sagt: Ich komme wieder. Dieses Wort steht
über allem. Deshalb wird die Messe auch ursprünglich nach Osten gefeiert, zum
wiederkommenden Herrn hin, der in der aufgehenden Sonne symbolisiert ist. Jede
Messe ist deshalb das Entgegengehen auf den Kommenden. Auf diese Weise wird
dieses Kommen auch gleichsam antizipiert; wir gehen auf Ihn zu - und jetzt
schon, antizipierend, kommt Er.
Ich
vergleiche das gern mit der Geschichte von der Hochzeit zu Kana .
Hier sagt der Herr zunächst zu Maria: "Meine Stunde ist noch nicht da."
Dann gibt er aber doch den neuen Wein und antizipiert sozusagen seine Stunde,
die erst kommen wird.
In der
Eucharistie ist dieser eschatologische Realismus
vergegenwärtigt: Wir gehen Ihm entgegen - als dem Kommenden - und Er kommt und
antizipiert diese Stunde, die einmal ihre Endgültigkeit haben wird, schon
jetzt. Wir sollten das so auffassen, dass wir dem immer schon kommenden Herrn
entgegengehen, in sein Kommen hinein - und uns damit in die größere
Wirklichkeit hineinfügen lassen, eben über die Alltäglichkeit hinaus.
Die von Johannes Paul II. heiliggesprochene Ordensschwester Faustyna Kowalska vernahm vor rund 80 Jahren die Worte Jesu in
einer Vision: "Du wirst die Welt auf Meine endgültige Wiederkunft
vorbereiten." Muss man das ernst
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