Benedikt XVI
gleichzeitig hinzufügt, die Bibel muss in dem Geist gelesen werden, in dem
sie geschrieben wurde. Sie muss in ihrer Ganzheit, in ihrer Einheit gelesen
werden. Und das ist nur möglich, wenn man sie als ein Buch des Volkes Gottes
betrachtet, das voranschreitend auf Christus zugeht.
Notwendig
ist nicht einfach ein Abbruch, sondern eine Selbstkritik der historischen
Methode; eine Selbstkritik der historischen Vernunft, die ihre Grenzen einsieht
und die Kompatibilität mit einer Erkenntnis aus dem Glauben heraus erkennt;
kurzum: die Synthese zwischen einer rational historischen und einer vom Glauben
her geleiteten Auslegung. Wir müssen beides in der richtigen Weise zueinander
bringen. Und das entspricht auch dem grundsätzlichen Verhältnis zwischen Glaube
und Vernunft.
Fest steht: Jesus ist nicht nur
durch die Schriften der Evangelien dokumentiert, sondern zudem durch mannigfaltige
außerbiblische Quellen. Sie lassen weder Zweifel an seiner historischen
Existenz noch an seiner "Verehrung als den seit Langem erwarteten Messias
zu. Die Autoren der Evangelien haben präzise recherchiert und spannend und
wahrhaftig aufgeschrieben, ohne dem Versuch zu erliegen, etwas zu glätten oder
zu glorifizieren. Die Details ihres Berichtes stimmen mit den historischen
Realitäten überein.
Um es
deutlich festzuhalten: Es gibt keinen Zweifel mehr daran, dass der historische
Jesus und der sogenannte "Jesus des Glaubens" absolut identische Realitäten
sind?
Das war sozusagen der Hauptpunkt
meines Buches, zu zeigen, dass der geglaubte Jesus wirklich auch der historische
Jesus ist und die Figur, wie sie die Evangelien zeigen, viel realistischer und
glaubhafter ist als die vielen anderen Jesusgestalten, die uns immer wieder
vorgeführt werden. Sie sind nicht nur ohne Fleisch und Blut, sondern auch
unrealistisch, weil durch sie nicht erklärbar ist, wie plötzlich ganz schnell
etwas ganz anderes da ist, was über alles Gewöhnliche hinausgeht.
Natürlich
haben Sie da ein ganzes Wespennest von historischen Problemen angestochen. Ich
würde da vorsichtiger sein und sagen, Detailuntersuchungen sind weiterhin
wichtig und nützlich, auch wenn das Übermaß der Hypothesen allmählich zur
Absurdität führt. Klar ist, dass die Evangelien auch von der konkreten Situation
der Überlieferungsträger mitbestimmt sind und sich sofort im Glauben inkarnieren . Aber in solche Details können wir hier nicht
eintreten. Das Wichtige ist: Realistisch, historisch ist nur der Christus, den
die Evangelien glauben; nicht der, den man in den vielen Untersuchungen neu
herausdestilliert hat.
Die Evangelien wurden nicht
zeitfern vom Geschehen aufgezeichnet, wie man lange Zeit dachte, sondern besonders
zeitnah. Zudem wurden diese Schriften in beispielloser Texttreue überliefert.
Wer heute das Neue Testament liest, liest es, von Unsicherheiten bei der
Übersetzung einzelner Wörter und stilistischen Fragen abgesehen, genau so,
analysierte der Texthistoriker Ulrich Victor, wie es vor 2000 Jahren
aufgeschrieben wurde.
Heißt das,
dass es eine "Formung" und damit eine " Um-Formung "
der Botschaft Jesu durch die Urgemeinde oder durch spätere Generationen, wie es
von vielen Bibelauslegern behauptet wird, nie gegeben hat?
Klar ist erstens: Die Texte sind
zeitnah. Wir kommen, vor allem auch durch Paulus, direkt an die Ereignisse
heran. Sein Abendmahls- und Auferstehungszeugnis -1 Korinther 11 und 15 -
stammt wörtlich aus den 30er Jahren. Zweitens: Klar und evident ist auch, dass
man die Texte ehrfürchtig als heilige Texte behandelt und sie im Gedächtnis und
dann in schriftlicher Form fixiert und überliefert hat.
Aber
richtig ist natürlich auch - wir sehen das im Vergleich der synoptischen
Evangelien -, dass zwischen den drei Evangelisten Matthäus, Markus und Lukas
ein und dasselbe in leichten Variationen überliefert wird und auch die Zeit-
oder Ereigniskontexte unterschiedlich fixiert sind. Das heißt, dass von den
Überlieferungsträgern doch auch eine Beziehung zum Verstehen der jeweiligen
Gemeinde hergestellt worden ist, in der dann das Bleibende des Vergangenen schon
erscheint. Insofern muss man darauf achten, dass es nicht um protokollartige
Notizen ging, die sozusagen einfach nur Fotografien sein sollten. Es ging um
sorgfältige Treue, aber Treue, die schon mitlebt und
formt, ohne dabei allerdings das Wesentliche zu beeinflussen.
Der Theologe Joseph Ratzinger
weist mit bestechenden Fakten und bestechender Logik nach: Jesus ist der,
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