Benjamin Rootkin - Zeiten voller Zauber, eine Weihnachtsgeschichte
mich?“
Mrs.Goodman musterte die junge Frau erneut. Irgendwie kam sie ihr wage bekannt vor, aber sie konnte sich nicht an ihren Namen erinnern.
„Tut mir leid, sollte ich?“
„Ich bin Mrs.MacDowell“, sagte die junge Frau. Überraschung zeichnete sich in ihrem Gesicht ab, als auf diesen Hinweis keine Reaktion von Mrs.Goodman kam. „Ich war krank. Sie haben mir doch Lebensmittel geschickt!“
„Ich? Ihnen Lebensmittel geschickt? Ich glaube, Sie täuschen sich. Wir liefern nicht nach Hause.“
Mrs.MacDowell wirkte nun sichtlich erschöpft. Ihr Gesicht hatte ein blasse Farbe angenommen und Mrs.Goodman sah, dass sich Schweißtropfen auf der Oberlippe der jungen Frau gebildet hatten.
„Geht es Ihnen nicht gut? Möchten Sie sich setzen?“
„Oh danke, das wäre sehr freundlich.“
Mrs.Goodman schloss den Laden und führte die Frau nach hinten in den Wohnraum.
„Wissen Sie was, ich mache uns jetzt erst einmal eine Tasse Tee. Sie werden sehen, danach geht es Ihnen besser!“
Mrs.MacDowell wollte Einwände erheben, aber die Ladenbesitzerin winkte ab. „Das macht überhaupt keine Mühe.“
Als beide eine dampfende, heiße Tasse Tee in der Hand hielten, fragte sie die junge Frau: „Wie kommen Sie auf die Idee, wir hätten Ihnen Lebensmittel geliefert?“
Mrs.MacDowell erzählte der immer mehr ins Staunen kommenden Mrs.Goodman von dem Jungen, der ihr täglich Lebensmittel vor die Tür gestellt und behauptet hatte, es wären Konserven von Goodmans Lebensmittelladen, und dass sie, Mrs.Goodman von der Not der Familie gehört hatte und nun vorschlug, alles anschreiben zu lassen, da sie vom Tod ihres Ehemannes und dem Verlust des Arbeitsplatzes wusste.
Als die Erzählung endete, stand Mrs.Goodman der Mund offen.
„Kennen Sie zufällig den Namen des Jungen?“
„Ich glaube, er heißt Ben. Können Sie mir sagen, was das alles bedeutet?“
Mrs.Goodman sah die aufkommende Panik im Gesicht der jungen Frau und legte tröstend ihre Hand auf deren Schulter.
„Sehen Sie, es ist so, Ben hat diese Lebensmittel praktisch gestohlen, in dem er sie Ihnen gab und jemand anderem auf die Rechnung setzen ließ. Sie müssen wissen, er ist aus dem Londoner Waisenhaus, und nun muss der Vorsteher Father Duncan für den Schaden aufkommen.“
Tränen liefen über Mrs.MacDowells Wangen.
„Das wusste ich nicht!“, stammelte sie. „Wir waren so verzweifelt. Mein Mann ist vor Kurzem gestorben, ich wurde krank und verlor meine Arbeit. Wir hatten nichts mehr zu essen, und so habe ich ihm, ohne nachzudenken, einfach geglaubt.“ Sie kramte in einer alten, abgenutzten Handtasche und zog einen mit zarter Handschrift beschriebenen Zettel hervor. „Sehen Sie, ich habe mir alles notiert. Ich werde dafür bezahlen, so bald ich kann. Ich habe jetzt wieder Arbeit gefunden. Der Arzt, der mich während meiner Krankheit behandelte, hat mir eine Stellung als Haushälterin und Praxishilfe angeboten.“
Mrs.Goodmans Miene entspannte sich zu einem freundlichen Lächeln.
„Machen Sie sich keine Sorgen. Am besten, Sie gehen zum Heim und erklären Father Duncan die ganze Angelegenheit. Ich bin mir sicher, dass sich eine Lösung finden lässt.“
Die junge Frau nickte als Antwort.
„So, meine Dame, ich denke, Sie sollten sich jetzt wieder nach Hause begeben und ausruhen. Sie sehen ein wenig erschöpft aus.“
Die Ladenbesitzerin brachte Mrs.MacDowell zur Tür und blickte ihr nach, wie sie langsam in der Dunkelheit verschwand.
Mr.Stendal saß auf dem gleichen Stuhl, auf dem Mrs.MacDowell vor zwei Stunden Platz genommen hatte. In seinen Händen hielt er eine Tasse Grog, aus der kleine Dampfwolken zur Decke stiegen.
Er und Mrs.Goodman waren sich in den letzten Tagen näher gekommen und hatten eine aufrichtige, wenn auch vorsichtige Zuneigung zueinander entwickelt. Sie trafen sich nun jeden Abend, saßen beisammen, plauderten oder schwiegen gemeinsam und genossen die Gegenwart des anderen. Wie so viele Beziehungen, die eine lange Anlaufzeit gebraucht hatten, entwickelten sich die Dinge ab einem gewissen Stadium rasant. Der Kutscher hatte Mrs.Goodmans sogar einmal in seinen Lieblingspub The Old Mary’s Inn ausgeführt, und die beiden hatten einen wunderbaren Abend genossen.
„Ben ist ein guter Junge. Er wollte nur helfen. Ich finde es nicht richtig, dass er nun in eine Erziehungsanstalt geschickt werden soll!“, sagte Mr.Stendal bestimmt. Mrs.Goodman, die er inzwischen Margret nennen durfte, hatte ihm die Geschichte von Bens Diebstahl
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