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Benjamins Gärten (German Edition)

Benjamins Gärten (German Edition)

Titel: Benjamins Gärten (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: J. Walther
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dass einer von ihnen zu mir rüber sieht und mich als schwul erkennt, als zugehörig, aber wie sollte er das.
    Ich gehe auf der Suche nach einer ruhigen Ecke weiter. Mir gefällt nicht, wie vertrocknet und niedergetrampelt das Gras ist, wie spärlich die Natur. Mir gefällt nicht, dass überall Leute sind. Aber niemand schaut auf meine nackten Füße, kümmert sich darum, wie ich aussehe. Niemand schaut mir nach. Das wiederum gefällt mir.
    Ich verlasse den Park wieder, biege auf eine Straße ein. Der Asphalt ist heiß. Eine junge Frau in bestickten Hosen begegnet mir. Ihre nackten Füße sind dreckig. Wir lächeln uns an. Erst als ich die Treppe zur U-Bahn erreiche, ziehe ich meine Sandalen wieder an.
    Ich löse ein Ticket, betrachte dann Plakate. Kinofilme, ein Konzert, ein Buddha-Kopf, der meditative Ruhe ausstrahlt, für eine Ausstellung wirbt. In einem ausfahrendem Zug sitzen zwei Männer in Army-Klamotten, der eine den Arm um die Schulter des anderen gelegt. Niemand schenkt dem besondere Beachtung.
    Eine Bahn Richtung Innenstadt fährt ein, Leute strömen heraus, ich steige ein, setze mich. Mir gegenüber sitzt eine Frau um die vierzig. Eine jüngere, langhaarige Frau hat den Kopf an ihre Schulter gelehnt, die Augen geschlossen. Die ältere Frau sieht mich ruhig und intensiv an, beschützt die Frau neben sich mit ihrem Blick.
    Ich halte ihrem Blick eine Weile stand, bevor ich wegschaue. Ein Mann Ende zwanzig im Anzug sieht mich an, ernst, nicht freundlich, fast durchdringend. Ich bin mir nicht sicher, aber der Blick soll wohl Interesse signalisieren. An der nächsten Station steigt der Mann aus. Ich folge ihm, verliere ihn aber schon an der Treppe aus den Augen.
    Ich gehe nach oben, gelange auf einen belebten Platz. Ich überquere eine Fahrbahn und biege in eine ruhige Straße ein. Vor einem Lokal stehen Tische in einem kleinen Garten. Es sieht einladend aus. Ich trete näher, setze mich an einen Tisch. Es ist nicht sehr voll. Zwei Frauen, die sich einander in ihren formlosen T-Shirts und kurz geschnittenen schwunglosen Haaren angeglichen haben, halten an einem Tisch Händchen. Eine asiatisch wirkende Frau und ein junger Mann schmachten sich über ihre Cocktails hinweg an. Ein stämmiger Mann trägt eine Lederjacke, für die es zu warm ist, und hält sich an einem Bierglas fest.
    Eine Kellnerin kommt auf mich zu, ein buntes Tuch bändigt ihre Haare. Sie nimmt das Glas, das noch auf dem Tisch steht, wedelt mit der Hand ein paar Krümel von der Tischplatte.
    »Was möchtest du?«
    Ich werfe einen Blick auf die Karte: »Ein Baguette mit Schinken. Und einen Milchkaffee.«
    Ich könnte mir auf die Zunge beißen. Es ist viel zu spät für einen Milchkaffee.
    »Kommt gleich«, sagt die Kellnerin, schenkt mir ein strahlendes Lächeln. Ich lehne mich zurück, entspanne mich. Die Händchen haltenden Frauen sitzen vor zwei großen Milchkaffees. Das Paar mit den Cocktails knutscht.
    Die Kellnerin bringt meine Bestellung. Auf dem Milchkaffee türmt sich ein weißer Schaumberg. Ich beiße in das Baguette, merke erst jetzt, wie hungrig ich bin. Als ich fertiggegessen habe, fühle ich mich besser. Ich löffle den Milchschaum aus der Tasse.
    Die Kellnerin bringt große Teller mit Salat an einen Tisch. Ich bestelle einen Cocktail.
    »Lass es dir schmecken«, sagt sie, als sie ihn mir hinstellt. Ich nippe daran, stelle erstaunt fest, wie spät es schon ist, wie die Zeit mit Nichtstun vergangen ist. Es wird langsam dunkel, die Hitze ist lauer Sommerluft gewichen, aus dem Lokal dringt leise Musik heraus.
    Ich sehe mich um. Nebenan ranken sich üppige Kletterpflanzen um einen Balkon, in den Kästen blühen Cosmeen und Löwenmaul. Ein Windlicht leuchtet im Grün versteckt. Ein kleiner Garten mitten in der Stadt.
    Auf der anderen Seite der Straße geht Licht in einer Wohnung an; eine Stuckdecke, eine schicke Lampe, Wände in warmen Farben. Keine Gardinen vor den großen Fenstern. Ein Mann setzt sich an einen Tisch vorm Fenster. Der bläuliche Schimmer eines Bildschirms flammt auf. Der Mann tippt etwas ein. Schaut dann hinunter auf die Straße. Ich bilde mir ein, dass sich unsere Blicke treffen.
    Im Nebenzimmer nimmt ein anderer Mann ein Buch aus dem Regal. Ich stelle mir vor, in dieser Wohnung zu leben. Mir gefallen die großen Fenster, die klare, sparsame Ausstattung. Ich stelle mir vor, am Fenster zu stehen, eine Kaffeetasse in der Hand, abends noch ins Café gegenüber zu gehen oder zum Sonntagsbrunch. Das Licht in dem Raum mit dem

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