Benson, Amber - Jenseits GmbH 1 - Lieber Tod als Teufel
schweren Zwischenfall standen. Er stand einfach da und blickte mich an. Offenbar hatte er keine Erfahrung mit hormongesteuerten Frauen.
„Hau ab, bevor ich etwas tue, das wir beide bereuen werden.“ Ich stand kurz davor loszuschreien.
Er machte einen Satz, als hätten meine Worte ihm einen elektrischen Schlag versetzt. „Ich verstehe nicht …“, setzte er an, doch ich ließ ihn nicht zu Ende sprechen. Mit beiden Händen nahm ich eins der roten Zierkissen vom Sofa und schleuderte es ihm entgegen.
Völlig verwirrt blieb er stehen.
„Verschwinde! Verschwinde! Verschwinde! Wenn dir dein Leben lieb ist, dann verschwinde!“
Das schien zu ihm durchzudringen – angesichts meines Ausbruchs stahl sich ein Hauch Panik in seinen Blick. Hastig machte er auf dem Absatz kehrt, verließ die Bibliothek und schloss die Tür hinter sich.
Kaum war die Tür zugefallen, verspürte ich ein Gefühl ungeheurer Erleichterung – wenn auch nicht das, das man nach einem Orgasmus hatte. Bis zu diesem Moment war mir nicht klar gewesen, wie körperlich angespannt ich war. Meine Kiefermuskeln taten höllisch weh, und ich stellte fest, dass ich immer noch mit den Zähnen knirschte. Sofort hörte ich damit auf und rieb mir mit Zeige- und Mittelfinger die schmerzenden Muskeln.
„Autsch“, sagte ich halblaut. „Das tut echt weh …“
Plötzlich klopfte es, und ich griff instinktiv nach einem weiteren Zierkissen.
„Herrin Calliope …?“
„Hör auf, mich so zu nennen.“ Ich ließ das Kissen zurück aufs Sofa fallen. Vorsichtig öffnete Jarvis die Tür.
„Verzeih, Herrin … ich meine, Miss Calliope“, erwiderte Jarvis gewichtig. Ihm war deutlich anzumerken, wie sehr es ihn fuchste, mir gehorchen zu müssen.
„Wo warst du?“, brüllte ich ihn an. „Es ist hier beinahe zu einem Zwischenfall gekommen, Jarvis.“
„Wie meinen?“, fragte er. „Ein Zwischenfall?“
Ich schüttelte den Kopf. Dumpfer Schmerz kroch mir über den Nacken und ließ sich in meinen Schläfen nieder.
„Vergiss es.“ Ich sank in einen der Ohrensessel und schloss die Augen.
„Ich habe dich überall im Haus gesucht, Herrin …“ Er hielt verärgert inne. „Miss Calliope, ich habe damit gerechnet, dass du mich ins Zimmer deiner Mutter begleitest. Sie kann es kaum erwarten, dich zu sehen.“
„He, ich hatte nicht vor, einen Zwischenstopp in der Bibliothek einzulegen. Es ist einfach passiert.“
„Soll ich dich jetzt zu deiner Mutter bringen?“, fragte Jarvis, ohne meine rüden Worte zu beachten.
„Na schön.“ Schwerfällig erhob ich mich aus dem Ohrensessel. Wir verließen die Bücherei, und ich folgte Jarvis durch einen langen Flur, der zur Eingangshalle führte.
„Jarvis, wer war der Kerl, der hier gewartet hat?“
„Wen meinst du?“ Jarvis wandte sich mit verwirrter Miene zu mir um.
Ich folgte ihm über eine breite Marmortreppe, die das Kernstück der Eingangshalle darstellte, und durch einen weiteren langen Flur. Als Kinder waren ich und meine Schwestern immer das genial lange Geländer runtergerutscht. Unsere Hinterteile waren oft grün und blau gewesen von den Landungen auf dem harten Marmorboden, die am Ende dieser Rutschfahrten gewartet hatten.
„Hör mal, in der Bücherei war so ein Kerl. Hochgewachsen, dunkelhaarig, blaue Augen, ziemlich stattlich.“
Jarvis schnaubte abfällig. „Stattlich.“
„Das ist kein Witz. Da war jemand. Wer war das? Er meinte, er sei der Protegé des Teufels. Was soll das heißen?“
Jarvis schüttelte mit gerunzelter Stirn den Kopf. „Ich habe nicht die geringste Ahnung. Derzeit ist niemand hier außer der Familie und dem Rechtsanwalt deines Vaters, Pater McGee. Ich werde Erkundigungen einholen.“
Er öffnete die vergoldete Tür zum Schlafzimmer meiner Mutter und trat ein. Ich blieb in der Tür stehen. In meinem Kopf drehte sich alles. Was hatte Jarvis da gerade gesagt?
„Callie?“, erklang eine zittrige Stimme aus dem Schlafzimmer. Ich roch einen Hauch Chanel No. 5, das Lieblingsparfüm meiner Mutter.
Lieber Himmel, dachte ich. Das wird hässlich.
Ich holte tief Luft und trat ein.
Meine Mutter und mein Vater hatten seit der Geburt meiner Schwester Thalia kein gemeinsames Schlafzimmer mehr benutzt. Nicht, dass meine Eltern sich verabscheut hätten oder einander nur um der Kinder willen ertrugen. Das Gegenteil war der Fall. Meine Eltern ertrugen einander nicht nur, sie waren rettungslos und leidenschaftlich ineinander verliebt.
Offen gesagt war auch gar nichts anderes denkbar,
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