Benson, Amber - Jenseits GmbH 1 - Lieber Tod als Teufel
nahm Robert unter den Achseln. Seine Hände schlossen sich um den schmalen Brustkorb wie eine Schraubzwinge.
Ich nickte und hob Roberts kräftige Unterschenkel an.
„Himmel noch mal“, keuchte ich. „Für jemanden mit vielleicht zwölf Prozent Körperfett wiegt der ja Tonnen.“
Jarvis schnaubte nur.
Gemeinsam gelang es uns, Roberts schlaffen Körper in das sauberste Toilettenabteil zu tragen, das ich finden konnte. Als ich unsere Arbeit begutachtete, stellte ich zufrieden fest, dass Robert schlimmstenfalls so übel mitgenommen war, als hätte er mit seinen Kumpels ein paar über den Durst getrunken. Wahrscheinlich würde er mit einem Riesenbrummschädel aufwachen, mehr aber auch nicht.
„Können wir dann gehen? Bevor es zu weiteren Unglücksfällen kommt?“, fragte Jarvis gereizt. Ich hatte vergessen, dass der kleine Faun einen ganz schönen Kommandoton am Leib hatte.
„Ich habe doch gesagt, dass ich irgendjemandem Bescheid geben muss, dass ich weg bin. Hörst du mir überhaupt zu? Also bleib auf der Toilette. Ich bin sofort zurück.“
Ich wandte mich ab und machte mich auf den Weg zu meinem Schreibtisch, doch ich bekam noch mit, wie Jarvis halblaut „Unverfrorenheit“ brummte.
„Das habe ich gehört“, sagte ich, ohne mich umzudrehen. Ich spürte, wie sein böser Blick mir ein Loch in den Rücken brannte – dafür musste ich nicht nachschauen.
Geneva saß nach wie vor an ihrem Schreibtisch. Das Neonlicht wurde vom Hochglanzpapier ihrer Vogue reflektiert.
„Geneva, etwas Schreckliches ist passiert“, sagte ich mit rauer Stimme und setzte mich auf meine Schreibtischkante.
Sofort ließ sie die Dreadlock-Strähne los, die sie sich um den Finger gewickelt hatte, und blickte auf.
„Was ist los? Lieber Himmel, Hy hat dich doch nicht gefeuert, oder?“
Ich schüttelte den Kopf und versuchte, so deprimiert auszusehen wie möglich. Es gelang mir sogar, ein paar Tränen in den Einsatz zu schicken, indem ich die Augen übertrieben weit öffnete und mir das Blinzeln verkniff.
„Ist alles in Ordnung mit dir? Deine Augen sehen irgendwie komisch aus …“
Ich hob eine Hand, um sie zum Schweigen zu bringen. „Ich versuche, nicht zu weinen“, erklärte ich nach wie vor mit möglichst rauer Stimme.
„Oh, tut mir leid.“
Ich schüttelte den Kopf. „Mein Vater ist sehr, sehr … krank, und ich muss nach Hause. Kannst du Hy Bescheid sagen?“
Geneva nickte. Ihre Miene war ganz zerknautscht vor Mitgefühl.
„Na klar. Ach, Himmel, Cal, das tut mir leid! Das ist ja so schrecklich.“
Sie beugte sich vor und umarmte mich halbherzig. Das war wirklich lieb von ihr. Ich wusste genau, dass sie sonst keine öffentlichen Gesten der Zuneigung verteilte. „Kann ich etwas für dich tun?“
„Sag Hy einfach nur, dass es ein Notfall war.“
Sie nickte, und ihre Miene hellte sich auf. „Ach, ich ruf noch bei der Personalabteilung an, damit dafür gesorgt wird, dass jemand dich in deiner Abwesenheit vertritt“, fügte sie hilfsbereit hinzu.
Ich schenkte ihr ein dankbares Lächeln.
„Fahr du bloß nach Hause, bevor noch was passiert!“ Mitfühlend tätschelte Geneva mir den Arm.
„Das mache ich.“ Junge, langsam kam ich mir wie ein Riesenarsch vor. Ich fühlte mich scheußlich dabei, Geneva anzulügen, noch dazu, wo sie so nett war. Aber es ging einfach nicht anders.
Ich packte die paar Dinge von meinem Schreibtisch, die ich brauchen würde, in meine Umhängetasche – ein Kate-Spade- Imitat, das es für zwanzig Kröten am Times Square gab. Dann winkte ich Geneva zu, die bereits mit der Personalabteilung telefonierte, und ging durch den Flur zu Jarvis, der mich schon ungeduldig erwartete.
Durch ein Wurmloch direkt von einem Ort zum anderen zu springen ist eine schnelle Art des Reisens, aber meiner Meinung nach nicht unbedingt die komfortabelste.
Wie soll ich das Gefühl beschreiben? Wahrscheinlich ist es etwa so wie Alice’ Sturz in den Kaninchenbau, aber lasst euch eins gesagt sein: Lewis Carroll hat nicht erwähnt, dass einem dabei der Magen in die Kehle rutscht oder dass einem der Schädel wehtut, als steckte er in einer Schraubzwinge.
Beinahe hätte ich Jarvis gezwungen, im Anwesen anzurufen und einen Hubschrauber zu bestellen – so sehr hasste ich Wurmlöcher. Doch stattdessen holte ich tief Luft und folgte ihm durch den Strudel aus schwarzem Nichts, den er in meiner Abwesenheit auf der Toilette heraufbeschworen hatte.
Es war genauso schlimm, wie ich es in Erinnerung hatte. Mir tat der
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