Benson, Amber - Jenseits GmbH 1 - Lieber Tod als Teufel
Kopf weh, mein Magen verkrampfte sich, und heiße Windböen peitschten auf mich ein. Als es vorbei war, stürzte ich hart zu Boden – die ungewohnte Art zu reisen hatte mich körperlich so sehr beansprucht, dass ich mich nicht mehr auf den Beinen halten konnte.
„Mist!“ Ich öffnete die Augen und stellte fest, dass ich mitten in der düsteren, holzverkleideten Bibliothek meines Vaters stand.
Soweit ich sehen konnte, war alles genau so, wie ich es in Erinnerung hatte: zwei geschmackvolle braune Ledersessel und ein dazu passendes Sofa hielten vor dem wuchtigen Mahagonikamin Hof; ein blutroter und cremefarbener Perserteppich lag auf dunklem Parkettboden; und in einer Hausbar lagerte mein Vater seine Cognacflaschen und andere hochprozentige Getränke.
Meine Geschwister und ich hatten hier viele Nachmittage mit Versteckspielen verbracht. Eine von uns musste dann immer im Bauch der großen Standuhr warten, die neben dem breiten Fenster zur Bucht thronte. Manchmal dauerte es Stunden, bis man gefunden und damit aus seinem Versteck befreit wurde, sodass einem von der langen Bewegungslosigkeit schon Beine und Rücken schmerzten. Das war das Problem, wenn man in so einem großen Haus wohnte: Es gab zu viele gute Verstecke.
So ungern ich es mir eingestand, die Rückkehr nach Haus Meeresklippe machte mir bewusst, wie sehr ich diesen Ort – und meine Familie – vermisst hatte.
„Alles in Ordnung da unten?“, erklang eine Männerstimme aus Richtung der Tür. Ich blickte auf und rechnete damit, Jarvis zu sehen. Doch stattdessen stand dort ein hochgewachsener Mann, der wirklich zum Anbeißen war, und schaute auf mich herab. In der Hand hielt er ein Buch meines Vaters.
Peinlich berührt erhob ich mich. Natürlich mache ich mich vor dem einzigen anwesenden Angehörigen des anderen Geschlechts zum Idioten – typisch Collie, dachte ich missmutig.
„Alles gut bei mir“, sagte ich in dem Versuch, mich zu sammeln. Verdammt! Ich spürte, wie ein nervöses Grinsen sich langsam auf meinem Gesicht breitmachte.
Unter anderem sollte man über mich wissen, dass ich meistens wie eine Vollidiotin grinse, wenn ich nervös bin – und attraktive Männer machen mich extrem nervös. Ich kann nichts dagegen tun. Im Umgang mit gut aussehenden Männern bin ich einfach zu nichts zu gebrauchen. Ich rede immer irgendwelchen Blödsinn oder stolpere über einen Stuhl oder etwas in der Art. Das ist so was von peinlich .
„Ja, du bist wirklich ein gutes kleines Mädchen, nicht wahr?“ Ein amüsiertes, wissendes Grinsen trat auf seine Lippen, als er mein Gesicht und die Rundungen unter meiner Kleidung begutachtete. Letztere bestand derzeit aus einem wirklich wunderhübschen geblümten Tank Dress von Anthropologie.
Sein Blick war außergewöhnlich durchdringend, und plötzlich wurde mir klar, dass der Kerl mich in Gedanken auszog! Für wen hielt er mich? Für Frau Ruf-mich-an?
Weil ich keine Ahnung hatte, wie ich reagieren sollte, starrte ich ihn böse an. Ich hatte schon früher festgestellt, dass Wut das Einzige war, womit ich meiner Nervosität beikommen konnte. Und dieser Kerl mit seiner Obercoolness regte mich langsam wirklich auf … und zugleich war ich, so ungern ich es mir auch eingestand, ein bisschen scharf auf ihn.
„Genau genommen siehst du so heiß aus, dass man selbst in der Hölle die Feuerwehr rufen müsste“, erklärte er auf mein Schweigen hin.
Schockiert wich ich zurück. Meinte der Kerl, dass ich wütend aussah, oder wollte er einfach nur …
„Willst du mich anmachen?“, platzte es aus mir heraus, ehe ich mich eines Besseren besinnen konnte.
Das brachte den Kerl zum Lachen, und nun fiel mir auf, wie unglaublich blau seine Augen waren. Es waren die klarsten eisblauen Augen, die ich jemals außerhalb eines Paul-Newman-Films gesehen hatte. Dazu hatte er hübsche, strahlend weiße Zähne und lockiges ebenholzschwarzes Haar, neben dem seine helle Haut fast durchscheinend wirkte.
„Du bist ein lustiges kleines Ding, hab ich recht?“ Er stellte das Buch an seinen Platz im Wandregal zurück. „Ich habe das Wort ‚anmachen seit sehr, sehr langer Zeit nicht mehr gehört.“
Er trat einen Schritt auf mich zu, und ich wich unsicher zurück, um so viel Abstand zwischen uns beiden zu wahren wie möglich – was nicht viel half. Mit zwei schnellen Schritten stand er direkt vor mir. Die Wärme, die sein hochgewachsener, geschmeidiger Körper abstrahlte, war fast greifbar. Ich schluckte schwer. Es gefiel mir nicht, wie
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