Benson, Amber - Jenseits GmbH 1 - Lieber Tod als Teufel
gesteckt, das ich ganz hinten in der Kammer erspäht hatte, hielt aber den Mund. Ich wollte mich nicht in eine hitzige Diskussion zwischen zwei höchst launischen Göttern einmischen.
Sobald Kali den Sari anhatte, verbrachten die beiden weitere zehn Minuten mit einem Streit über die Frage, ob sie Make-up brauchte. Indra war für das volle Schminkprogramm, während Kali darauf bestand, so, wie sie war, vor die Kamera zu treten.
Als Kali damit drohte, die versammelten Gopis aufzuschlitzen und im Zuge dessen ihre berühmte Schädelsammlung zu vergrößern, gab Indra schließlich nach und ließ sie die Aufnahmen ohne jede Spur von Lippenstift machen.
Wir standen eine gefühlte Ewigkeit einfach nur herum, bis Indra den Dreh plötzlich für beendet erklärte und verkündete, dass Kali „im Kasten“ sei.
Ich hatte keine Ahnung, was er mit „im Kasten“ meinte, aber wenn es etwas damit zu tun hatte, dass wir fertig waren, war ich voll und ganz einverstanden. Während ich zusah, wie Indra an der Kamera herumfummelte, stellte ich fest, dass ich immer wütender auf ihn wurde. Wegen seines blöden Films schuldete ich Kali jetzt einen Riesengefallen – und dieser Idiot hatte nichts weiter gewollt, als dass sie eine Treppe runterging, sich mit melancholischer Miene ans Geländer lehnte und tief seufzte.
Vielleicht kann ich sie überreden, mein Strafmaß auf einen halben Gefallen abzumildern, dachte ich hoffnungsvoll. Schließlich war das Ganze gar nicht so schlimm gewesen.
Das Einzige, was ich nicht kapierte, war, warum Indra mich gebraucht hatte, um Kali für seinen Film zu gewinnen. Da sie beide Hindugottheiten waren, durfte man doch eigentlich annehmen, dass Indra sie nur hätte fragen müssen. Angesichts des seltsamen Hin und Hers zwischen den beiden fragte ich mich, in was für einer Beziehung sie zueinander standen und warum Kali offenbar so unverhältnismäßig viel Spaß daran hatte, ihn vor unseren Augen zu demütigen, wo sie nur konnte.
„He, Kali? Kann ich mal kurz mit dir reden?“, bat ich und winkte sie mit dem Finger heran, nachdem ich mich vergewissert hatte, dass Clio und Kümmerchen damit beschäftigt waren, den Gopis beim Aufwickeln der ellenlangen Stromkabel zu helfen. Ich wollte meine Schwester zwar eigentlich nicht außen vor lassen, doch ich hatte das Gefühl, dass Kali sich mir nur anvertrauen würde, wenn ich mich unter vier Augen mit ihr unterhielt.
Kali saß oben auf der Empore und stützte das Kinn gedankenverloren in die Hände. Auf mein Rufen hin hob sie den Kopf. Ich ließ nicht locker, bis sie aufstand und zu mir herunterkam, wobei sie immer zwei Stufen auf einmal nahm. Ihr langes, glänzendes Haar wogte bei jedem Schritt.
„Ja?“, sagte sie, als sie schließlich vor mir stand.
Ich wusste nicht, wo ich anfangen sollte. Ich wollte sie nicht beleidigen oder mir ihren Zorn zuziehen, aber ich musste wissen, was zwischen ihr und Indra vorging, wenn ich nicht am Ende ohne den kostbaren Meeresschaum dastehen wollte, für den ich mich um Kopf und Kragen gefeilscht hatte. Lange Zeit hatte ich der Welt des Übernatürlichen freiwillig entsagt, aber ich erinnerte mich sehr wohl an das alte Sprichwort: Sei vorsichtig, wenn du mit Göttern verhandelst.
Nicht, dass Götter prinzipiell einen schlechten Charakter hatten, doch im Zweifelsfall räumten sie ihren eigenen Bedürfnissen den Vorrang ein – ganz egal, was sie einem versprochen hatten. Wie zum Beispiel magischen Meeresschaum.
„Äh, ich will dich ja nicht nerven, aber ich muss sichergehen, dass Indra mir wirklich dieses Meeresschaumzeug gibt … jetzt, da ich dir so einen großen Gefallen schuldig bin und so …“, sagte ich kleinlaut.
Kali nickte, als verstünde sie genau, was ich meinte, doch ihre darauffolgenden Worte zeigten, dass sie etwas völlig anderes im Sinn hatte. „Soll ich die Gopis als Geiseln nehmen, bis er zahlt?“ Das war zwar ein nettes Angebot, aber ich wollte nun wirklich nicht das Blut der Gopis an meinen Händen kleben haben.
„Nein, nichts derart Extremes. Doch vielleicht könntest du mir erklären, warum dieser Meeresschaum Indra so wichtig ist?“
Kali grübelte einen Moment lang über meine Worte nach, dann nickte sie. „Damit du über alles Bescheid weißt? Damit du keine bösen Überraschungen erlebst?“, fragte sie, als könnte sie meine Gedanken lesen. Ich lächelte.
„Genau.“
Sie schien sorgfältig zu überlegen, doch ich erkannte, dass sie lediglich Zeit gewinnen wollte, während sie sich
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