Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Beraubt: Roman

Beraubt: Roman

Titel: Beraubt: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Womersley Chris , Thomas Gunkel
Vom Netzwerk:
nicht zögern. Er überquerte die Straße und betrat die kühle, dunkle Polizeiwache. Diesmal. Diesmal würde er sich durchsetzen.
    28 Als Quinn eintrat, saß sein Onkel auf seinem Stuhl und machte ein Nickerchen. Der Konstabler erwachte, doch ehe er begriff, was vor sich ging, war Quinn bereits durch den Raum geschritten und hielt ihm den Revolver vor die Nase. Er überlegte, ob er seinen Onkel sofort erschießen sollte, zögerte aber. Dalton sollte wissen, warum er ihn umbrachte; das war der Kern der Gerechtigkeit.
    Dalton sagte irgendwas – Nein oder O Mann –, schützte mit beiden Händen das Gesicht und glitt auf seinem Holzstuhl nach unten. Seine linke Hand war noch bandagiert.
    »Wo ist sie?«, wollte Quinn wissen.
    »Sie schon wieder!«
    »Wo ist das Mädchen?«
    »Wovon reden Sie? Nehmen Sie sofort die Waffe runter. Ich bin hier der Konstabler. Drohen Sie mir nicht, Mann, sonst …«
    Quinn fuchtelte mit dem Revolver. »Sag mir, wo sie ist, sonst erschieße ich dich.«
    Es war Dalton gelungen aufzustehen, doch bei Quinns Drohung duckte er sich wieder. Der Schreibtisch war ein Durcheinander von Papieren und Büchern, dazu ein Blechteller mit den klebrigen Überresten eines Brathähnchens. In der Polizeiwache roch es seltsam nach rauchigem Stein, wie in einer Kirche. »Nein«, sagte er kraftlos.
    Quinn hielt inne. »Du erkennst mich immer noch nicht, stimmt’s?«
    »Was? Doch, Sie sind dieser Bursche, dem ich neulich auf dem Friedhof begegnet bin – Wackfield? Wakefield? Ich hätte Sie an Ort und Stelle festnehmen sollen.«
    »Probier’s noch mal. Komm her. Stell dich hin und schau mir ins Gesicht, Robert.«
    Dalton gehorchte. Dann fiel sein Blick auf die blutigen Muster auf Quinns Hemd.
    »Und?«, fragte Quinn.
    Auf Daltons rosiger Stirn glänzte Schweiß, und direkt unter dem Ohr hatte er eine frische Kratzwunde am Hals. Seine Hose war offen, und sein üppiger Bauch überlappte den Gürtel. Er wedelte mit den Händen. »Nehmen Sie den Revolver runter, Sir.«
    »Du erkennst mich wirklich nicht?«
    »Ich weiß nicht. Sagen Sie’s mir doch, wenn es so verdammt wichtig ist.«
    »Ich bin dein Neffe.«
    Dalton zuckte zurück. Sein Mund verzog sich zu einem höhnischen Grinsen, und dann reckte er den Kopf vor wie eine blasse, verblüffte Schildkröte. »William? Nicht der kleine Quinn? Das kann nicht sein. Sie haben geschrieben, du wärst tot. Ich hab das Telegramm selbst gesehen.«
    »Das, worin stand, ich wäre im Krieg gefallen?«
    Sein Onkel war überrascht. Er musterte ihn noch mal. »Red keinen Unsinn. Du siehst ihm überhaupt nicht ähnlich.«
    »Es ist viel passiert.«
    »Das kann man wohl sagen.« Dalton strich sich über die Stirn. »Dann beweis mir, dass du’s bist.«
    »Ich hab keine Papiere.«
    »Und warum soll ich dir dann glauben?«
    Quinn dachte kurz nach. »Ich bin 1893 geboren. Ich wurde nach Quinn Dalton, dem Vater meiner Mutter benannt, der auch dein Vater ist und bei einem Schiffsunglück zwischen Schanghai und Hongkong ums Leben kam. Sarah ist ’ 97 geboren. Du bist« – er überlegte ein paar Sekunden – »ich glaube, 1894 aus London hergekommen. Vielleicht auch ’ 95 . Einige Leute haben gesagt, du musstest England verlassen.«
    Ob Dalton ihm glaubte oder nicht, Quinn betrachtete es inzwischen als Fehler, dass er sich zu erkennen gegeben hatte; sein Onkel hatte jetzt weniger Angst statt mehr. Dalton zog seine Hose hoch und strich seine zerknitterte Jacke glatt. Sein Blick schoss im Raum umher, vielleicht auf der Suche nach seinem eigenen Revolver. »Du bist wahnsinnig, Mann. Daten kann jeder auswendig lernen. Verschwinde jetzt, sonst muss ich dich einsperren. Los, hau ab.«
    Doch Quinn winkte Dalton zu einer der Steinwände und entdeckte den Polizeirevolver inmitten der Papiere auf dem Schreibtisch. Er steckte ihn in die Hosentasche. »Wo ist Sadie Fox?«
    Dalton betrachtete ihn. Es sah aus, als wollte er antworten, doch dann überlegte er es sich anders. Er rülpste.
    »Also?«
    Der Konstabler wischte sich wieder die Stirn ab und riskierte ein trockenes Lachen. »Du bist widerlich. Warum bist du zurückgekommen, hm? Du Bestie. Du weißt doch, dass du deine Mutter mit deiner Tat zugrunde gerichtet hast. Du kannst von Glück sagen, dass du davongekommen bist.«
    »Glück gibt es nicht.«
    »Man hätte dich gehängt, keine Sorge. Wenn ich dich in die Finger bekommen hätte, hätte ich dich eigenhändig an einem Baum aufgeknüpft. Das arme Mädchen. Ich hab dich gesehen, Quinn. Mit

Weitere Kostenlose Bücher