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Berg der Legenden

Berg der Legenden

Titel: Berg der Legenden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jeffrey Archer
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»Die Fäustlinge, die Ihre Frau Ihnen gestrickt hat, helfen Ihnen. Sogar der Zucker in Ihrem Tee ist eine Hilfe. Im Grunde ist unser Partner der Einzige, der keine Hilfe ist«, sagte Finch und starrte finster auf den schlafenden Odell.
    »Und wen hätten Sie an seiner statt ausgewählt? Norton oder Somervell?«
    »Weder noch«, erwiderte Finch, »obwohl beide verdammt gute Bergsteiger sind. Aber hatten Sie nicht von Anfang an klargestellt, dass der Gipfel nur von denjenigen in Angriff genommen werden sollte, die am besten an die Höhe angepasst sind? Und wir wissen beide, wer das ist.«
    »Nyima«, sagte George leise.
    »Es gibt noch einen Grund, weshalb Sie Nyima hätten auffordern sollen mitzukommen, und ich hätte es gewiss getan, wenn ich der bergsteigerischer Leiter gewesen wäre.«
    »Und der wäre?«
    »Das Vergnügen, Hinks’ Gesicht zu sehen, wenn er dem Mount-Everest-Komitee berichten muss, dass ein Australier und ein Sherpa als erste Menschen einen Fuß auf den Gipfel des Everest gesetzt haben.«
    »Das wird nie geschehen«, sagte George.
    »Warum nicht?«, wollte Finch wissen.
    »Weil Hinks dem Komitee berichten wird, dass ein Engländer den Gipfel zuerst erreicht hat.« George schenkte Finch ein kurzes Lächeln. »Aber ich sehe keinen Grund, warum ein Australier und ein Sherpa das nicht irgendwann in der Zukunft bewerkstelligen sollten.« Er nahm seinen Stift wieder auf. »Jetzt schlafen Sie weiter, Finch. Ich muss noch einen Brief zu Ende schreiben.« Noch einmal ließ George den Stift über das Papier gleiten, aber es erschienen keine Buchstaben: Die Tinte war eingefroren.
    ***
    Um fünf Uhr am folgenden Morgen krochen die drei Männer aus ihren Schlafsäcken. George trat als Erster vor das Zelt, um von einem wolkenlosen, blauen Himmel begrüßt zu werden, einer Farbe, die J. M. W. Turner in Begeisterung versetzt hätte, obwohl der große Künstler 7600 Meter hätte erklimmen müssen, ehe er diese Szene hätte malen können. Nur ein leiser Windhauch wehte, und George füllte seine Lungen mit der kalten Morgenluft, während er zum Gipfel hinaufblickte, der nur noch 1200 Meter über ihm lag.
    »So nahe …«, sagte er, als Finch aus dem Zelt kroch, mit zweiunddreißig Pfund schweren Sauerstoffflaschen auf den Rücken geschnallt. Er blickte ebenfalls zum Gipfel empor, dann schlug er sich auf die Brust.
    »Psst«, sagte George. »Wir wollen sie nicht aufwecken. Lassen wir sie schlummern, dann können wir sie überrumpeln.«
    »Behandelt man so eine Dame?«, grinste Finch.
    George begann hin und her zu gehen, unfähig, seinen Unmut zu verbergen, weil sie auf Odell warten mussten.
    »Tut mir leid, dass ich Sie habe warten lassen«, sagte Odell kleinlaut, als er schließlich aus dem Zelt kroch. »Ich konnte meinen zweiten Handschuh nicht finden.« Keiner seiner Kameraden zeigte Mitleid.
    Sie seilten sich an, George übernahm die Führung, Finch folgte ihm, und Odell bildete das Schlusslicht. »Viel Glück, Gentlemen«, sagte George. »Zeit, dass wir einer Dame unsere Aufwartung machen.«
    »Hoffen wir, dass sie uns nicht ihr Taschentuch direkt auf den Kopf fallen lässt«, sagte Finch, drehte das Ventil einer seiner Sauerstoffflaschen auf und rückte das Mundstück zurecht.
    George hatte erst ein paar Schritte getan, da wusste er bereits, dass dieser Aufstieg anders werden würde als alle, die er bisher erlebt hatte. Wann immer er sich in der Vergangenheit dem Gipfel eines Berges genähert hatte, hatte es immer Stellen gegeben, an denen er anhalten und sich ausruhen konnte. Doch hier bestand keine Aussicht auf eine Atempause. Die einfachste Bewegung war so anstrengend, als versuchte er sich in einem fort an einem Hundertmeterlauf, obgleich er nicht schneller vorankam als eine Schildkröte.
    Er versuchte, nicht an Finch zu denken, der nur wenige Schritte hinter ihm ging und stillvergnügt seinen Sauerstoff einatmete. Würde er sie am Ende alle eines Besseren belehren? George kämpfte sich weiter, doch mit jedem Schritt wurde das Atmen mühseliger. In den letzten sieben Monaten hatte er tagtäglich eine spezielle tiefe Atemtechnik geübt – vier Sekunden durch die Nase einatmen, die Brust füllen, dann vier Sekunden durch den Mund ausatmen –, doch dies war die erste Gelegenheit, diese Technik oberhalb von 7600 Metern zu erproben. Er warf einen kurzen Blick zurück und stellte fest, dass Finch trotz des zusätzlichen Gepäcks von zweiunddreißig Pfund immer noch entspannt wirkte. Wenn sie indes beide

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