Berg der Legenden
Sherpas sich flach auf den Boden warfen, das Gesicht dem Berg zugewandt.
Kurz darauf klopfte George an sein Glas und bat um Ruhe. Das Kommando lag jetzt in seinen Händen.
»Gentlemen«, sagte er, »zunächst möchte ich General Bruce dafür danken, dass er uns alle heil und in einem Stück hierhergebracht hat. Und, um Sie zu zitieren, Sir«, fügte er hinzu und wandte sich direkt an den General, »das Ganze auch noch gesund und munter.«
»Bravo!«, rief der Rest im Chor. Selbst Finch konnte sich dem anschließen.
George entfaltete eine Karte aus Pergament, schaffte etwas Platz vor sich auf dem Tisch und breitete die Karte aus. »Gentlemen«, begann er, »wir befinden uns momentan hier.« Mit dem Griff seines Kaffeelöffels deutete er auf einen Punkt in 5300 Meter Höhe. »Unser unmittelbares Ziel ist es, dorthin zu gelangen«, fügte er hinzu und fuhr mit dem Löffel den Berg hinauf, bis er in einer Höhe von 6400 Metern innehielt. »Dort hoffe ich, Lager III aufschlagen zu können. Wenn wir vorhaben, Chomolungma zu bezwingen, müssen wir drei weitere Höhenlager einrichten. Lager IV wird sich in etwa 7000 Meter Höhe am Nordsattel befinden, Lager V auf 7600 Metern und Lager VI auf 8200 Metern, nur noch 600 Meter vom Gipfel entfernt. Es ist unumgänglich, eine Route direkt auf dem Nord-Ost-Grat oder kurz unterhalb zu finden, die uns zum Gipfel führt.
Doch einstweilen«, fuhr er fort, »dürfen wir nicht vergessen, dass wir keine Ahnung haben, was uns erwartet. Es gibt kein Handbuch, in dem wir nachschlagen könnten, keine Karten, über denen wir brüten, keine alten Käuze, die an der Bar des Alpine Clubs sitzen und uns mit Anekdoten über ihre vergangenen Triumphe unterhalten könnten, einerlei, ob real oder eingebildet.« Mehrere Männer nickten lächelnd. »Deswegen müssen wir eine Route finden und aufzeichnen, die es uns eines Tages erlaubt, die alten Käuze zu sein, die ihr Wissen an die nächste Generation Bergsteiger weitergeben.« Er sah seinen Männer an. »Irgendwelche Fragen?«
»Ja«, sagte Somervell. »Was glauben Sie, wie lange es dauern wird, bis wir Lager III eingerichtet haben? Und damit meine ich vollkommen ausgestattet und besetzt.«
»Wie immer der Praktischste von allen.« George lächelte. »Ehrlich gesagt, ich kann es nicht mit Sicherheit sagen. Ich würde gerne 600 Meter am Tag schaffen, so dass wir morgen Abend Lager II in 5800 Metern errichten und vor Sonnenuntergang zurück hier im Basislager sein können. Tags darauf werden wir bis 6400 Meter steigen, Lager III aufbauen und für die Nacht ins Lager II zurückkehren. Es wird mindestens zwei Wochen dauern, bis wir uns an die Höhe angepasst haben, in der keiner von uns sich je zuvor aufgehalten hat. Vergessen Sie nicht: Climb high, sleep low . Der Schlafplatz muss tiefer liegen als der höchste Punkt, den Sie tagsüber erreicht haben.«
»Werden Sie uns in Seilschaften aufteilen, bevor wir aufbrechen?«, fragte Odell.
»Nein, noch nicht«, sagte George. »Wir bleiben eine Einheit, bis ich weiß, wer von Ihnen sich am besten an die Höhe anpasst. Ich vermute allerdings, dass letzten Endes nicht ich über die Zusammensetzung der Seilschaften entscheiden werde, sondern der Berg selbst.«
»Dem kann ich nur zustimmen«, sagte Finch. »Aber haben Sie schon weiter darüber nachgedacht, ob Sie oberhalb von 7600 Metern Sauerstoff einsetzen wollen?«
»Auch hier gilt, dass der Berg die Entscheidung diktieren wird, nicht ich.« George wartete einen Moment, ehe er sagte: »Noch weitere Fragen?«
»Ja, Skipper«, sagte Norton. »Wann sollen wir morgen früh bereitstehen?«
»Um sechs Uhr«, erwiderte George. »und das bedeutet, in voller Montur und bereit zum Abmarsch. Denken Sie daran, morgen müssen wir den Mut haben, wie Kolumbus zu denken, und bereit sein, über den Rand der Karte hinauszugehen.«
***
George war unschlüssig, was ihn am nächsten Morgen noch vor allen anderen aus seinem Zelt trieb: War es die Verantwortung als Anführer oder der schiere Nervenkitzel und das Wissen, dass er von diesem Moment an mit jedem Schritt höher steigen würde als je zuvor?
Kurz vor sechs, an einem klaren Morgen mit wenig Wind und einer Sonne, die auf ihren eigenen Pfaden den höchsten Gipfel erklomm, stellte George erfreut fest, dass alle acht Bergsteiger geduldig vor ihren Zelten warteten. Sie trugen die unterschiedlichste Kleidung: Wollwesten, vermutlich von ihren Freundinnen oder Ehefrauen gestrickt, Jagdhosen, winddichte
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