Thors Valhall
I know the worst things I’ve done enter you … [1]
Kapitel 1
Ihr Wiedersehen verlief natürlich ganz anders als angenommen, doch wenn man es mit Thor Fahlstrøm zu tun hatte, musste man immer mit einer Enttäuschung rechnen.
Zum wiederholten Male sah er auf die offene Tür des Tonstudios, durch die schließlich Tony trat und bekannt gab:
„Ich habe sie endlich erreicht. Aufgrund des Nebels über London konnten sie nicht zeitig landen. Sie werden direkt vom Flughafen hierher kommen.“
Unbemerkt atmete Dylan auf. Bis eben hatte er noch gedacht, ihr Abkommen würde platzen. Es war ja auch eine absurde Idee, zusammen ein Album aufzunehmen. Dark Electro mit Black Metal zu kombinieren war in jeder Hinsicht eine Herausforderung.
Doch er selbst wollte sich der gerne stellen. Es konnte nie schaden, den musikalischen Horizont auszuweiten, zudem warteten die Fans regelrecht auf ein neues Lebenszeichen der Bands. Nach den erfolgreichen Auftritten, welche seine Band RACE und Wooden Dark während des „Black Festivals“ absolviert hatten, mussten sie den Anhängern einfach danken. Warum nicht mit einer gemeinsamen CD?
„Ich geh eine rauchen“, verkündete Dylan kaum hörbar. Tony, der Kurznachrichten in sein Handy tippte, nickte still.
Es war spät geworden, die Gänge des Gebäudes leer, sodass Dylan unbemerkt in die Seitentasche seiner Bondagehose greifen und die kleine, flache Flasche herausziehen konnte. Mit gierigen Schlucken beruhigte er sein Gemüt, vielleicht wollte er sich auch ein wenig Mut antrinken, bevor er die Zigarette entzündete.
Vier Monate waren vergangen, seitdem sie sich das letzte Mal gesehen hatten. Ganz anders als Tony, sein Manager, und Erik, der Bassist von Wooden Dark , hatten er und Thor nur den virtuellen Kontakt gehalten – durch Chat, Webcam oder Short Messages.
Die kalte und besinnliche Jahreszeit hatten sie getrennt voneinander verbracht. Bewusst hatten sie sich dafür entschieden, die Aufnahmen erst nach dem Jahreswechsel zu beginnen. Nun war der Frühling im Anmarsch, und mehrere Monate Arbeit lagen vor ihnen.
Eine lange Zeit stand er am Fenster, blickte hinaus auf die breite Einfahrt, bis Tony ihm Gesellschaft leistete, einen prüfenden Blick nach draußen warf und aufgeregt verkündete: „Sie kommen! Ich sehe das Taxi!“
Erfreut schlug er Dylan auf die Schulter, bevor er sich auf den Weg machte, um die Band Wooden Dark persönlich begrüßen zu können.
Aus dem Großraumtaxi stiegen 4 Leute: die Gastmusiker Ron und Fynn, die Drums und Gitarre bedienten, Thor, der Sänger, und zu guter Letzt Erik, der Bassist.
Jeder von ihnen trug einen Koffer bei sich und zudem hatten sie einige Gitarren im Gepäck.
Dylan sah, wie sie alles mithilfe des Taxifahrers ausluden, dann war auch Tony bei ihnen angekommen. Ungehemmt umarmte er den schmalen Erik, sodass Dylan seinen neidischen Blick abwendete.
Das nervöse Gefühl in ihm war noch einmal gewachsen, kurz, nachdem das Taxi vorgefahren war. Er verspürte noch größere Aufregung, als die Schritte vom Treppenhaus zu ihm drangen, die lauten Stimmen signalisierten, dass sie sich gleich gegenüberstehen würden.
Er verharrte regungslos, senkte sogar den Blick und wartete, bis sie nah genug waren, um den Augenkontakt aufnehmen zu können.
Sie trugen alle schwere Boots, die in der hellhörigen Halle einen polternden Lärm erzeugten. Ron und Fynn waren Dylan von den Festivals bekannt. Er nickte ihnen zur Begrüßung allerdings lediglich zu.
„Schön dich wiederzusehen“, erklang schließlich Eriks Stimme. Er hatte, wie die anderen, seinen Koffer einfach im Gang abgestellt. Um eine seiner Schultern hing eine Gitarre. Nicht ganz so herzlich, aber dennoch sehr vertraut, schloss er Dylan kurz in die Arme.
„Kommt ruhig alle rein!“, tönte Tony. Er war ganz aufgeregt, fuchtelte wild mit den Armen in der Luft herum und wies so jeden von ihnen in das Tonstudio ein. „Wir haben frischen Kaffee und Kuchen. Ihr müsst ja ganz erschöpft sein von der Reise!“
Seine Stimme vermischte sich mit den anderen. Was erwartete Tony von den nächsten Wochen? Dass sie sich bei Cappuccino und Gebäck die Songs aus dem Ärmel schütteln würden?
„Perk?“
Da stand er plötzlich vor ihm, wie immer mit schwarzer Hose, Nietengürtel und Lederjacke bekleidet. Fast lautlos war er als Letzter der Gruppe herangetreten und stierte Dylan in die weit aufgerissenen Augen.
Er hatte ihn nicht vergessen, wie konnte er auch. Dank Internet und Mobiltelefon
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