Berge des Wahnsinns: 2 Horrorgeschichten
war, konnten wir die unteren Partien der gigantischen Bauwerke erkennen, und wir sahen im Eis konservierte Steinbrücken, die in wechselnder Hö he die einzelnen Türme miteinander verbanden. An den freistehenden Mauern konnten wir die Bruchstellen entdecken, wo früher einmal andere, höhere Brükken derselben Art existiert hatten. Bei näherem Hinsehen bemerkten wir zahllose, ziemlich große Fenster; einige davon waren mit Läden aus einem versteinerten Material verschlossen, das einmal Holz gewesen war, doch die meisten waren nur noch dunkle, gähnende Löcher. Viele der Ruinen hatten natürlich kein Dach mehr und wiesen unebene, wenn auch vom Wind glattgeschliffene Oberkanten auf. Wohingegen andere, die eine deutlicher erkennbare konische oder pyramidenartige Form hatten oder im Schutz benachbarter höherer Bauwerke standen, trotz der allgegenwärtigen Verwitterungsund Zerfallspuren noch weitgehend intakt waren. An vielen Stellen waren die Bauwerke gänzlich zerstört und die Eisfläche aus verschiedenen geologischen Gründen tief zerfurcht. An anderen Stellen wieder war das Mauerwerk bis auf die Eisfläche abgetragen. Ein breiter Streifen, der sich vom Innern des Plateaus aus zu einer Lücke in den Vorbergen erstreckte, etwa eine Meile links von dem Paß, den wir überflogen hatten, war völlig frei von Bauwerken. Wir vermuteten, daß dies das Bett eines großen Flusses gewesen war, der im Zeitalter des Tertiärs vor Millionen von Jahren durch die Stadt und in irgendeinen gewaltigen unterirdischen Abgrund des großen Gebirgszuges geflossen war. Kein Zweifel, dies war ein Gebiet der Höhlen, Abgründe und unterirdischen Geheimnisse jenseits aller menschlichen Vorstellung.
Wenn ich heute an unsere Empfindungen zurückdenke und mir vor Augen halte, wie benommen wir vom Anblick dieser monströsen Überreste aus einer, wie wir glaubten, vormenschlichen Epoche waren, kann ich nur staunen, welchen Gleichmut wir trotz allem noch bewahrten. Wir wußten natürlich, daß irgend etwas der Zeitablauf, die wissenschaftlichen Theorien oder unser eigener Verstand auf furchtbare Weise aus den Angeln gehoben war; dennoch bewahrten wir so viel Geistesgegenwart, um das Flugzeug zu steuern, viele Dinge recht genau zu betrachten und mit aller Sorgfalt eine Reihe photographischer Aufnahmen zu machen, die vielleicht uns und der ganzen Welt noch einen unschätzbaren Dienst leisten werden. Mir selbst mag mein unbezähmbarer wissenschaftlicher Ehrgeiz zustatten gekommen sein, denn über all meiner Verwirrung und dem Gefühl der Bedrohung stand der brennende Wunsch, tiefer in dieses urzeitliche Geheimnis einzudringen um zu erfahren, was für eine Art Lebewesen diese Stadt erbaut, an diesem unermeßlich gigantischen Ort gelebt hatte, und welche Beziehung zu der übrigen Welt, in ihrem eigenen Zeitalter oder in anderen Epochen, eine so einmalige Konzentration des Lebendigen gehabt haben konnte.
Denn dies konnte keine gewöhnliche Stadt sein. Es mußte der
ursprüngliche Kern und Mittelpunkt eines archaischen und unfaßbaren Kapitels der Erdgeschichte gewesen sein. Was davon nach außen gedrungen war, war im Chaos der Zuckungen der Erdkruste untergegangen, lange bevor irgendeine bekannte Menschenrasse das Affenstadium hinter sich gelassen hatte um nur noch als vage Erinnerung in den dunkelsten und verzerrtesten Mythen weiterzuleben. Hier breitete sich eine paläogene Metropole vor unseren Augen aus, im Vergleich zu der die legendären Städte Atlantis und Lemuria, Commorium und Uzuldaroum und Olathoe im Lande Lomar Erscheinungen von heute sind noch nicht einmal solche von gestern; eine Metropole, vergleichbar mit solchen sagenumwobenen, vormenschlichen Lästerungen wie Valusia, R’lyeh, Ib im Lande Mnar und der Namenlosen Stadt in Arabia Deserta. Als wir dieses Gewirr schier titanischer Türme überflogen, konnte ich hin und wieder meine Phantasie nicht mehr zügeln und erging mich in ziellosen, abenteuerlichsten Spekulationen ja ich stellte sogar Verbindungen zwischen dieser verlorenen Welt und meinen eigenen wildesten Träumen im Zusammenhang mit den wahnsinnigen Greueln im Lager her.
V
Zur Reduzierung des Gewichts waren die Treibstofftanks des Flugzeugs nicht ganz gefüllt worden; deshalb mußten wir jetzt Vorsicht walten lassen. Trotzdem überflogen wir noch ein enormes Gebiet, nachdem wir auf eine niedrigere Flughöhe gegangen waren, wo der Wind praktisch keinen Einfluß mehr hatte. Grenzenlos schienen der Gebirgszug und die
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