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Berge des Wahnsinns: 2 Horrorgeschichten

Berge des Wahnsinns: 2 Horrorgeschichten

Titel: Berge des Wahnsinns: 2 Horrorgeschichten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Howard P. Lovecraft
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und unser Flugzeug erreicht hatten, galten unsere unmittelbaren Befürchtungen wieder der niedrigeren und doch so erschreckend hohen Bergkette, die wir noch einmal überqueren mußten. Von diesen Vorbergen aus ragten die schwarzen, mit Ruinen überkrusteten Wände starr und drohend in den Osthimmel, und wir fühlten uns abermals an die seltsamen asiatischen Gemälde des Nicholas Roerich erinnert; und als wir an die furchtbaren, amorphen Wesen dachten, die sich ihren stinkend glitschigen Weg womöglich bis in die höchsten der ausgehöhlten Zinnen gebahnt hatten, erfüllte uns die Aussicht, abermals an diesen vielsagenden, himmelwärts gerichteten Höhlenmündungen vorüberzufliegen, wo das Heulen des Windes wie ein bösartiges melodiöses Pfeifen mit einem großen Tonumfang klang, mit panischer Angst. Zu allem Unglück sahen wir auch noch deutliche Spuren von Nebelbildung an mehreren Gipfeln wie sie auch der arme Lake wahrgenommen haben mußte, als er am Anfang irrtümlich an Vulkantätigkeit geglaubt hatte und dachten schaudernd an jenen verwandten Nebel, dem wir eben erst entronnen waren und an den blasphemischen, grauenerregenden Abgrund, dem all diese Dämpfe entquollen.

    Mit dem Flugzeug war alles in Ordnung, und wir zogen uns schwerfällig unsere dicken Fliegerpelze über. Danforth konnte die Maschine ohne Schwierigkeiten anlassen, und es gelang uns ein glatter Start über die Nachtmahrstadt. Unter uns lag das zyklopische Steinlabyrinth genauso da wie am Morgen, als wir es zum erstenmal erblickt hatten, und wir gewannen allmählich Höhe und änderten die Richtung, um die Windverhältnisse für den Rückflug über den Paß zu testen. In großer Höhe mußte es sehr starke Strömungen geben, denn die Wolken von Eisstaub nahmen unablässig neue phantastische Formen an; doch in 20000 Fuß, der Höhe, die wir für die Paßüberquerung brauchten, ließ sich die Maschine recht gut manövrieren. Als wir uns den steil aufragenden Gipfeln näherten, war das seltsame Pfeifen des Windes wieder deutlich zu hören, und ich sah, wie Danforths Hände am Steuerknüppel zitterten. Obgleich ich als Pilot ein reiner Amateur war, glaubte ich in diesem Moment, daß es mir eher als ihm gelingen würde, das Flugzeug heil durch den gefährlichen Engpaß zwischen den Felswänden zu steuern; und als ich Anstalten machte, mit ihm Platz zu tauschen und ihn am Steuer abzulösen, widersetzte er sich nicht. Ich versuchte, all meine Geschicklichkeit und Selbstbeherrschung aufzubieten, und hielt den Blick fest auf das Stück fernen rötlichen Himmels zwischen den Steilabfällen des Passes geheftet versuchte mit verzweifelter Entschlossenheit, mich nicht von den Nebelwolken beirren zu lassen, die einige der Gipfel einhüllten, und wünschte, ich hätte wie Odysseus’ Gefährten vor der Küste der Sirenen Wachs in den Ohren gehabt, um dieses verwirrende Pfeifen des Windes von meinem Bewußtsein fernzuhalten. Danforth jedoch, von seinen Pilotenpflichten entbunden und in höchster nervöser Erregung, konnte sich nicht ruhig halten. Ich spürte, wie er sich rastlos hin und her wand, sich umdrehte, einmal zurück auf die entschwindende furchtbare Stadt schaute, dann nach vorne auf die durchhöhlten, mit Quadern behafteten Gipfel, dann wieder seitwärts auf das öde Meer verschneiter, mit Trümmern übersäter Vorberge oder hinauf in den brodelnden, grotesk bewölkten Himmel. Und dann, gerade als ich mitten durch den Paß steuerte, hätte uns sein wahnsinniger Aufschrei beinahe in eine Katastrophe geführt, denn er ließ mich einen Moment lang meine Beherrschung verlieren und hilflos an den Instrumenten herumfummeln. Doch im nächsten Augenblick triumphierte meine Entschlossenheit, und wir kamen heil durchden Paß. Aber ich glaube, Danforth wird nie mehr der sein, der er einmal war.

    Ich habe schon gesagt, daß Danforth sich weigerte, mir anzuvertrauen, welch letztes Grauen ihn so irrsinnig aufschreien ließ ein Grauen, das, dessen bin ich sicher, weitgehend für seinen jetzigen Zusammenbruch verantwortlich ist. Wir verständigten uns mit einzelnen, abgehackten Mitteilungen, die wir uns inmitten des Windgeheuls und des Motorenlärms zuschrieen sobald wir die sichere Seite der Bergkette erreicht hatten und langsam niedriger gingen und auf das Lager zuflogen, doch diese bezogen sich fast ausschließlich auf das gegenseitige Versprechen, Stillschweigen zu bewahren, das wir uns gegeben hatten, als wir uns zum Verlassen der Nachtmahrstadt gerüstet

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