Berge des Wahnsinns: 2 Horrorgeschichten
enttäuschend, doch sie vermittelten uns mehrmals lebhafte Eindrücke von den ungeheuer phantastischen und trügerischen Luftspiegelungen des Polargebietes, von denen unsere Seereise uns schon einen kleinen Vorgeschmack gegeben hatte. Ferne Berge schwammen am Himmel wie verzauberte Städte, und oft löste sich die ganze weiße Welt unter dem magischen Licht der niedrigen Mitternachtssonne auf in ein goldenes, silbernes und scharlachrotes Land dunsanischer Träume und abenteuerlicher Erwartung. An bewölkten Tagen hatten wir beim Fliegen beträchtliche Schwierigkeiten, da allzu leicht verschneite Erde und Himmel zu einer einzigen, mystisch schimmernden Leere verschmolzen, in der kein sichtbarer Horizont mehr die Grenze zwischen beiden markierte.
Endlich beschlossen wir, unseren ursprünglichen Plan in die Tat umzusetzen und mit allen vier Forschungsflugzeugen fünfhundert Meilen ostwärts zu fliegen und ein neues Depot zu errichten, wahrscheinlich an einem Punkte, der auf dem kleineren Teilkontinent wie wir dieses Gebiet damals noch irrtümlich bezeichneten liegen würde. Dort gefundene geologische Proben würden zu Vergleichszwecken nützlich sein. Wir befanden uns noch bei bester Gesundheit die einseitige Ernährung mit eingesalzten oder aus Konserven stammenden Lebensmitteln glichen wir mit Zitronellensaft hinreichend aus, und die allgemein nur wenig unter -10° liegenden Temperaturen ließen uns ohne unsere dicksten Pelze auskommen. Wir hatten jetzt Hochsommer, und bei entsprechender Eile und Umsicht würden wir vielleicht die Arbeiten bis zum März beenden und auf eine mühevolle Überwinterung in der langen antarktischen Nacht verzichten können. Mehrmals waren grimmige Stürme von Westen über uns hereingebrochen, die wir jedoch unbeschadet überstanden hatten, dank Atwoods Geschick in der Konstruktion von behelfsmäßigen Schutzbauten für die Flugzeuge und Windbrechem aus schweren Schneeblöcken, sowie in der Befestigung der Lagerbauten durch Schneewälle. Es war nachgerade unheimlich, wieviel Glück und Erfolg wir bislang gehabt hatten.
Die Außenwelt war natürlich über unser Programm unterrichtet; sie erfuhr auch von Lakes seltsam hartnäckigem Beharren auf einer Prospektierungs-Exkursion in westlicher oder, genauer gesagt, nordwestlicher Richtung, bevor wir endgültig zu dem neuen Stützpunkt aufbrechen würden. Offenbar hatte er lange und mit beunruhigendem Wagemut über jenen gekritzten Abdruck in dem Schiefer nachgegrübelt; hatte aus ihm gewisse Unstimmigkeiten hinsichtlich der Art und der geologischen Periode herausgelesen, die seine Neugier aufs äußerste anstachelten und in ihm den Wunsch weckten, weitere Bohrungen und Sprengungen in der nach Westen sich erstreckenden Formation vorzunehmen, zu der die zutage geförderten Fragmente offensichtlich gehörten. Er war sonderbar fest davon überzeugt, daß es sich um den Abdruck eines massigen, unbekannten und absolut unklassifizierbaren Organismus handle, der auf einer recht hohen Evolutionsstufe gestanden haben mußte, trotz der Tatsache, daß das Gestein, in dem er gefunden worden war, so unendlich alt war kambrisch, wenn nicht sogar präkambrisch -, daß man die Existenz nicht nur von hochentwickeltem, sondern sogar von jeglichem Leben außer Einzellern oder bestenfalls Trilobiten mit großer Wahrscheinlichkeit ausschließen konnte. Diese Fragmente, mit ihren rätselhaften Markierungen,mußten zwischen 500 Millionen und einer Milliarde Jahre alt sein.
II
Die Öffentlichkeit reagierte, soweit ich es beurteilen kann, mit Interesse und Phantasie auf unsere Funkberichte über Lakes Aufbruch nach Nordwesten in Gebiete, in die nie ein Mensch oder auch nur die menschliche Vorstellung vorgedrungen war, obwohl wir nicht einmal seine abenteuerlichen Hoffnungen erwähnten, die gesamte biologische und geologische Wissenschaft revolutionieren zu können. Während einer vorbereitenden Exkursion vom 11. bis zum 18. Januar, an der außer ihm noch Pabodie und fünf andere’ teilnahmen und die von dem Verlust zweier Schlittenhunde überschattet war ein Schlitten war bei der Überquerung einer der hohen Pressungswülste im Eis umgestürzt hatten Versuchsbohrungen immer mehr Proben dieses urzeitlichen Schiefers zutage gefördert; sogar ich selbst war beeindruckt von der einzigartigen Fülle eindeutig fossiler Spuren in einer so unglaublich alten Schicht. Diese Spuren stammten jedoch von sehr primitiven Lebewesen und gaben weiter keine Rätsel auf, abgesehen
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