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Berge Meere und Giganten (German Edition)

Berge Meere und Giganten (German Edition)

Titel: Berge Meere und Giganten (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alfred Döblin
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weiter der London-Neuyorker Zentralgewalt, die überall bereitgestellten Verteidigungsmittel und Maßnahmen nachzuprüfen. Die Londoner langbärtigen Herren erklärten, im Interesse der Gesamtheit gezwungen zu sein, zu der aufgegebenen Einrichtung der örtlichen Kommission und Beobachtungsposten zurückzukehren. Die einzelnen Machtgruppen möchten dies nicht auffassen als ein Bestreben Londons seine Gewalt zu erweitern, sondern als Sicherheitsmaßnahme im Interesse aller. Man hatte damit das, was man in langen Jahrzehnten, ja in mehr als einem Jahrhundert abgeschüttelt hatte, wieder. Man konnte nicht widersprechen, denn der schwere Ernst Englands schien berechtigt; eine Möglichkeit der Durchführung der kommenden Maßnahmen ohne Zusammenschluß war nicht gegeben.
    Von Dünkirchen strömte auf Europa Afrika Amerika der Geist der Helotenwirtschaft. Die Delegationen und Senate hatten sich verpflichtet in ihren Ländern Staaten Stadtschaften Wissenschaft Technik und alle denklichen konkreten Kenntnisse abzuriegeln. Die Vernachlässigung dieser Verpflichtung war mit dem Verlust der Selbständigkeit für das Staatswesen verbunden. In allen Zentren galt es nach Dünkirchen geheimste Pläne auszuarbeiten zur Feststellung der wichtigsten Dinge, betreffend Krafterzeugung Lebensmittel Beförderung Angriffs.und Abwehrwaffen, Feststellung der nötigen Zahl von Personen an den arbeitenden und ausführenden Stellen und an den zusammenfassenden. Unter Verzicht auf allzu stürmischen Fortschritt, ja bei voller Klarheit über eine mögliche Stagnation wurde die Zahl der Personen gefunden, ihre Herkunft war auf einen Kreis beschränkt. Die Senate bezeichneten die zuverlässigen Familien. Überall waren Machthaber ihnen zu entnehmen. Bei der Strenge des anfänglichen Vorgehens taten sich in den meisten Staatskörpern sehr kleine Gruppen zusammen, die in Fühlung mit den Londoner Beobachtungsposten eine Art Wohlfahrtsausschuß bildeten und dauernd das öffentliche Leben und die herrschenden Familien kontrollierten.
    Dies alles geschah geheim und niemand im Volk bemerkte sogleich etwas. Man übte in der Tat nur gesteigert streng die alte Methode. Den Fragenden wurde die mit Beispielen zu belegende Gefährlichkeit der Situation vorgehalten. Aufdrängende wurden hingehalten abgeschoben. London Berlin Paris Mailand Marseille Neuyork sah einen neuen Adel, der sich um die furchtbaren technischen Einrichtungen gruppierte.
    Diese Männer und Frauen waren die eigentlichen Machthaber der westlichen Erde, waren mißtrauisch unter sich, immer gejagt, Vergnügungen verachtend, durchweg einsam. Keiner von ihnen ging ohne die leichten Waffen, die sie nur für sich reservierten. Sie erschienen überall überraschend. Der Wohlfahrtsausschuß der Einzelstaaten, die Beobachter, waren wie sie ausgestattet, mit Lampen, deren Licht durch einen Spiegel- und Blendmechanismus so reflektiert wurde, daß die Menschen faktisch unsichtbar waren. Sie waren wie eine Wand, die man mit Spiegeln bekleidet; man glaubte in sie hineingehen zu können. So konnten sie scheinbar durchsichtig auf offenen Straßen, oft auch in Häusern sich bewegen. Sie ritten fuhren flogen ungesehen. In den Massen ging das Gerücht von ihnen. Denn sie beseitigten ungewünschte oder gefährliche Personen, die eine Zusammenkunft verließen, ebenso wunderbar wie sie selbst erschienen. Die Toten waren nicht auffindbar, wie man die Lebenden auf ihrem Wege nicht hatte verschwinden sehen. Es trat vielleicht ein Mann, ein junges Weib an einen Baum, ging um eine Häuserecke, bückte sich, faßte sich an die Brust, griff nach seinem Rücken, machte einige sonderbare Bewegungen, als ob etwas juckte oder kniffe, und war weg. Nichts war an der Stelle als ein stärkeres Blitzen des Sonnenlichts, ein Staub wie von einem Windstoß. Öfter wurden ähnliche Vorgänge beobachtet, man munkelte davon, Gerichte befaßten sich damit, Aufklärung erfolgte nie, da die Verschwundenen nie gefunden wurden. Die Klagesteller hatten schon Recht mit ihrer Behauptung, die Verschwundenen seien beseitigt oder gut verborgen worden. Sie wurden noch in dem Spiegelkleid, das über sie geworfen war und in dessen Mantel sie neben dem Entführer und der Entführerin gingen, gezerrt und rasch gelähmt, an die geheimen Stellen der Laboratorien getragen, wo sie nicht einmal den Blitz sahen, der aus der Wand, an die man sie mit dem irr lächelnden Gesicht lehnte, fuhr. Zusammensinkend, weiche Massen, lohten sie auf dem sprühenden Boden.

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