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Berge Meere und Giganten (German Edition)

Berge Meere und Giganten (German Edition)

Titel: Berge Meere und Giganten (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alfred Döblin
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nicht mehr gehörten, heranließ, die Kundigen unter den Usurpatoren zu erstechen und zu erschießen. Das gelang in mehreren Fällen. Die Frauen wurden darauf an Ort und Stelle getötet; die Kraftstelle ruhte eine kurze Weile oder zerbrach; die Usurpatoren ließen es darauf ankommen, ließen keinen, dessen sie nicht sicher waren heran; der tiefe Argwohn, der den nomadisierenden Völkerstämmen innewohnte, wirkte sich aus. Darauf sich demütigend schickten die Frauen sehr junge verlockende Wesen ihrer Art zu Scheinverhandlungen zu den neuen Herren. Die Mädchen sollten bei Ablehnung aller Vorschläge zu den Farbigen übergehen, rasch die lüsternen Fremden gefügig machen, sie vor die Leitungen und Umformungen zu lassen. Die Herrinnen gaben ihnen den Spruch, mit dem sie ein halbes Geheimnis verrieten: die Frauen seien bereit den Siegern Dienst zu leisten, wenn die Fremden davon absähen sie zu knechten. Das Geschick Mailands, im Grunde ganz Südeuropas hing damals an einem Haar. Uneingestanden hatten die Frauen, die schon damals halb bundartig zusammenhingen, die Absicht, die Männer ihrer Farbe fallen zu lassen und sich der Fremden zu bedienen. Die jungen Wesen in Mailand gaben ihre gefährliche Halbwahrheit den braunen und bronzefarbigen Männern weiter, denen sie angenehm klang. Die abgesandten klugen Geschöpfe erlebten dann aber ein Schicksal, das sie in die grauste Zeit der weiblichen Vergangenheit zurückführte: nach Mißbrauch und Schändung vor vielen Männern und jauchzenden Weibern wurden sie alten Männern als Sklavinnen beigegeben.
    Ravano della Carceri, Guistiniani, Sanudo verließen eine Woche nach dem Ausbruch die Mailänder Landschaft, kamen zu Fuß wandernd unter Gefahren nach Alessandria, von da fliegend nach Genua. Riefen Genua Marseille Bordeaux um Hilfe. Guistiniani flog nach London, an den Zentralsitz der westlichen Regierungsmacht. London erklärte, wie vorauszusehen, daß an ein zentrales Eingreifen erst zu denken sei, wenn zugestandenermaßen die örtlichen Schutzmaßnahmen versagten. Böse Blicke bekam der sehr still berichtende Guistiniani zu sehen. Die Londoner hatten gesagt, man sei offenbar unfähig im Mailändischen; ob man wieder zur Einrichtung von London bestellter Magistrate zurückkehren solle; ob man nicht wisse, was man riskiere nicht für sich allein, sondern für alle, wenn man wichtige Dinge den Gegnern und Unbotmäßigen überließe oder ausliefere; wie einen Giftschrank einem verrückten Apotheker, der einen halben Ort damit umbringt; oder wie früher ein Regiment, das nicht aufpaßt und seine Artillerie vor dem Feind stehen läßt. Rom Marseille Bordeaux, selbst noch frei aber schon bedroht erklärten sich bereit zur Hilfe, verlangten aber zugleich Sicherung vor der Wiederkehr solcher Unfälle im eigenen Interesse. In Rom erregte der zurückgekehrte Guistiniani mit seinem Bericht aus London Aufsehen; der Tadel erschien berechtigt und machte wütend auf Mailand wie auf London. Rom, durch Mailand stark gefährdet, ebenso Genua und Bordeaux verlangten Kontrolle Mailands und seiner Adnexe. Die Mailänder Deputation mußte das zugeben und unterschreiben; sie wurde nur anerkannt als Stadtvertretung unter diesem Vorbehalt. Im übrigen gab es, was Mailand anlangte, angesichts der Kraftquellen, die die Revoltierenden in der Hand hatten, keine Möglichkeit als die Vernichtung des größten und wichtigsten Teils der Stadtschaft. Sie erfolgte nach weiteren vier Tagen, im ganzen zwanzig Tage nach dem Ausbruch der Revolte. Die verbrannte erstickte Stadt wurde ihren Herren wieder übergeben.
    Der schwer leidende vergrämte Sanudo spielte im neuen Mailand dann keine Rolle mehr. Ein Kontrolleur, Emissär Londons, wurde neben den Senat Mailands gestellt. Carceris Augenblick war gekommen. Er suchte die Oberhand in Mailand zu gewinnen, stieß auf den Widerstand der Frauen, die ihm die Zähne zeigten. Der junge Guistiniani unterstützte erst den bärenhaften Carceri, der offen zugab, daß er die Sache auf die Spitze getrieben habe und nun zeigen werde, wie zu verfahren sei. Diese Zynismen machten ihn bei vielen Männern, durchaus bei allen Frauen unmöglich, die im ganzen enttäuscht, sich vor seiner Tücke und Gewalttätigkeit fürchteten. Ravano della Carceri hatte auf die folgende Entwicklung von Südeuropa nur kurze Zeit Einfluß; er geriet in Streit mit Guistiniani, der sich ihm nicht fügen wollte. Ein Mordanschlag Carceris auf Guistiniani, auf den er plötzlich seinen ganzen Groll

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