Berge Meere und Giganten (German Edition)
»Die Bestien! Die Kreidezeit! Die ganze Kreidezeit! Was machts aus. Sie sollen kommen. Je mehr, desto besser. Sie sollen es fühlen.«
Ten Keir wagte sich über den Kanal. Delvil empfing ihn zwischen den Physikern, umarmte ihn wild; flüsterte: »Ich schäme mich nicht mehr. Die Krise geht vorüber. Gott, was war das für eine Zeit. Ich habe nicht gelebt, Ten Keir. Sieh mich an, wie mein Gesicht ist: zwanzig Jahre in zwei Monaten. Sie sollen es büßen. Ich werde wieder gesund. Gesunder als ich gewesen bin.« »Ihr seid schon weit, Delvil?« »Wir wollen Brüder werden«; er zog den Brüsseler beiseite; sie gingen durch die straßenähnlichen unterirdischen Anlagen; »ich vergesse dir nichts. Weißt du, Ten Keir, wie du mich behandelt hast, als ich einmal bei dir war, vor der Grönlandexpedition? Nein, es war gut. Du hast mich gut behandelt. Ich hatte ja noch mit den Siedlern geliebäugelt. Du hast mich zurecht gestaucht. Gut, Ten Keir. Ich vergesse es dir nicht. Ich war im Begriff mich zu verlieren. Ich war im Begriff mich unter die Hunde zu begeben. Wie hätte ich jetzt geheult über Lurche und Echsen. Ich brauche mich nicht mehr zu schämen. Du auch nicht, Ten Keir, Bruder Ten Keir. Wir wollen Brüder sein. Es kommt der Tag. Glücklich, daß ich dafür aufbewahrt bin. Ich habe Grönland auf dem Gewissen, Island. Ich will noch mehr auf dem Gewissen haben. Sie sollen mich fürchten.« »Wer denn, Delvil. Wir werden sie bezwingen. Und gut.« »Nein, nicht gut. Das sagst du, nicht ich. Was mir geschehen ist –« Delvils Augen blickten starr; Ten Keir erinnerte sich seiner Worte in Brüssel, wie er die Fäuste hob, auf dem Schemel saß und stöhnte: »Ich will sie nicht. Aus tiefstem tiefstem Herzen sage ich dir: ich will sie nicht. Sie sind schon jetzt nicht mehr da.« Delvil zwang die Dinge. Er haßte sie. Durch Ten Keirs Kopf zuckte einen Augenblick der Gedanke: dieser Delvil hatte selbst etwas von den grauen und grauenhaften Urtieren an sich. Wie sein Gesicht sich wirklich verändert hatte, seit er ihn gesehen hatte; die Züge schwer beweglich, tief eingetragen, die Haut von der Aschfarbe des Betons, zwischen dem er lebte, die Bewegungen langsam und drängend, kein Zucken; seine Stimme selbst ohne Modulation. »Es kann mir nicht genug sein, Ten Keir, daß ich die Lurche besiege. Wir werden sehen, was die Versuche ergeben. Ich will sie an dem Ort aufsuchen, wo sie entstehen. Ich gehe ihnen entgegen. Sie werden nicht leben. Der Boden, der sie geboren hat, wird nicht leben.« Ten Keir suchte ihm in die Augen zu blicken. Delvil ging weiter: »Wir werden sehen. Unsere Arme werden wieder frei, Bruder Ten Keir. Mein ist die Rache, spricht der Herr.« Er merkte nicht, daß der Belgier mit gekreuzten Armen unbeweglich dastand.
ALS IM Sommer der Schwall der grönländischen Urtiere nachließ, war den Helfern Delvils das erste gelungen. Vor die Südspitze von Skandinavien, Jütland, über die Nordsee, auf die schottischen Berge südlich des Moray Firth legte man die neuen Waffen. Das war das Sonderbarste Schrecklichste, was die Erde bisher gesehen hatte. Man errichtete im Ozean auf den stärksten Schiffen, im schottischen Gebirge auf dem tausend Meter hohen Cairn Gorm, dem Meall Thonail, Creag Meaghaidh, hohe turmartige Gebilde. Von weitem waren es schlanke Felsen mit unregelmäßigen Auswüchsen. Aber wer sie lange Zeit beobachtete, bemerkte, daß sie ihre Umrisse veränderten, hier breiter wurden als da, dort einen Auswuchs höher trugen als vorher, unten einsanken, in die Höhe sich streckten. Dunkel waren die Gebilde wie großflockiger Porphyr, Partien schienen runzlig wie eine Haut, andere warfen die Lichtstrahlen zurück, glänzten wie Fell.
Auf dem Boden der Schiffe, den Kuppen der schottischen Berge hatte man diese Unwesen errichtet, mit Hilfe der Turmalinschleier. Man hatte Steine und Stämme zusammengehäuft und sich vermählen lassen. Wie sie unter dem Feuer der Strahlungen ins Wachsen gerieten und bevor sie erloschen, schüttete man wie auf glimmende Kohlen Schichten Tierleiber Pflanzen Gräser auf sie. In diesen Boden trug man zuletzt Menschen ein. Die Biologen und Physiker der Mekifabriken waren mit den Techniken am lebenden Organismus vertraut; sie hatten rasch gesehen, die Strahlungen der Schleier stellten unbändige zuerst gar nicht dosierbare Reizstoffe für die lebende Substanz dar. Die Trieb und Wachstumskraft, die in dem einzelnen geformten Tier Pflanzen Steinkörper begrenzt war, die die
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