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Lichtgeboren - Sinclair, A: Lichtgeboren

Lichtgeboren - Sinclair, A: Lichtgeboren

Titel: Lichtgeboren - Sinclair, A: Lichtgeboren Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alison Sinclair
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1
    Telmaine
    Nie zuvor in ihrem Leben hatte sie sich über das Ende einer Bahnfahrt dermaßen gefreut.
    Nicht etwa, weil die Glocken den Sonnenuntergang ankündigten und somit das Erlöschen des tödlichen Tageslichts. Auch nicht, weil sie die Reise ohne das geringste Anzeichen einer Bedrohung hinter sich gebracht hatten. Nicht einmal, weil sie und ihr geliebter Ehemann erst vor knapp zwölf Stunden den Zug in Richtung Küste genommen hatten, ohne zu wissen, ob sie beide oder auch nur einer von ihnen je wieder zurückkehren würde.
    Nein, es lag an der Gesellschaft, in der sie sich befand, und an den Erklärungen, die sie am Ende dieser Reise bekommen würde.
    Ein schwacher Trost nur, dass es ihrem Mitreisenden ganz ähnlich erging. Fürst Vladimer Plantageter, ihr adliger Cousin und der Halbbruder des Erzherzogs, verkörperte sämtliche Vorurteile seines Geschlechts und seiner Klasse, noch verstärkt durch seine ausgesprochen einsiedlerische und misstrauische Natur. Nur auf Drängen eines von ihm respektierten Mannes, der ihm kurz zuvor das Leben gerettet hatte, war er überhaupt darauf eingegangen, in Gesellschaft einer Frau zu reisen – noch dazu einer Magierin. Und was Vladimers Akzeptanz anbelangte, sein Leben unter ihren Schutz zu stellen …
    Ebenso wenig hätte Telmaine sich dieser Aufgabe angenommen, wenn nicht den beiden Männern zuliebe, die sie darum gebeten hatten. Sie seufzte lautlos. Wer hatte einst geschrieben: »Vor meinen Feinden kann ich mich selbst schützen, aber möge der Einzige Gott mich vor meinen Freunden behüten«? Wäre ihr Ehemann bei ihr gewesen, hätte sie ihn fragen können, doch er bestieg womöglich in eben diesem Moment einen Zug, der nach Süden in Richtung Grenzlande fuhr, einer drohenden Invasion entgegen.
    Noch etwas, das sie Fürst Vladimer vorzuhalten hatte.
    Telmaine hörte, wie die Abteiltür aufgeschoben wurde. Ihr Sonar zeigte ihr einen uniformierten Mann mit der Mütze des Zugpersonals, der seinen Kopf in Fürst Vladimers Privatkupee schob, um sich dafür zu entschuldigen, dass sie nicht ihren üblichen Bahnsteig anfahren konnten. Dort wurden derzeit – in der ersten Stunde nach Sonnenuntergang herrschte stets Hochbetrieb – zwei Sonderzüge für die Abfahrt vorbereitet, und daher müssten sie eines der öffentlichen Gleise frequentieren.
    »Lassen Sie den Bahnsteig räumen«, sagte Vladimer ohne zu zögern. »Und sorgen Sie dafür, dass eine Kutsche bereitsteht.«
    »Und für die Dame … ?«, fragte der Steward.
    »Die Dame kommt mit mir.«
    Er hätte zumindest versuchen können, die Situation nicht so aussehen zu lassen, als nähme er sie zum Verhör mit, wenn auch nur zur Wahrung ihres guten Rufes.
    Den er – sollte ihm der Sinn danach stehen – mit wenigen Worten ruinieren konnte. Unter Nachtgeborenen gehörten Magier nämlich an den Rand der Gesellschaft und keineswegs in die vornehmeren Familien und gehobenen gesellschaftlichen Kreise. Ihre Zugehörigkeit zum Hochadel – als Prinzessin eines herzoglichen Hauses – hatte sie bereits durch die Vermählung mit Balthasar Hearne verloren, dessen uraltes, edles Geblüt im Laufe der Generationen von Töchtern und jüngeren Söhnen stark verdünnt worden war und nun gerade noch als akzeptabel galt. Sollte sie jedoch als Magierin enttarnt werden, käme das keinem gesellschaftlichen Abstieg gleich, sondern einem endgültigen Absturz.
    Für ihren Mann – einen Arzt mit unersättlichem Interesse am menschlichen Geist und sozialen Strukturen – lag die Ablehnung der Nachtgeborenen gegenüber Magie und Magiern weit weniger in der Vergangenheit begründet als in der gegenwärtigen Gesellschaftsordnung. Vor achthundert Jahren hatte ein magischer Bann die Trennung der Nachtgeborenen von den Lichtgeborenen erwirkt, die einen zu ewiger Dunkelheit verdammt und die anderen zu ewigem Licht. Nachtgeborene verbrannten bei Tageslicht sofort zu Asche, und Lichtgeborene lösten sich bei Dunkelheit gnadenlos auf. Doch achthundert Jahre waren eine lange Zeit, insbesondere für die zukunftsorientierten Nachtgeborenen. Deren Abneigung gegen alles Magische entsprang Balthasars Ansicht nach nicht so sehr dem, was die Magier damals getan hatten, sondern eher dem, was sie noch immer zu tun vermochten – obwohl das magische Wissen, welches dem Fluch zugrunde lag, längst verloren war. Selbst der schwächste Magier konnte mithilfe von Berührungen die Gedanken anderer lesen, und die meisten besaßen zudem genügend Macht, um zu heilen. Ein

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