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Berge Meere und Giganten (German Edition)

Berge Meere und Giganten (German Edition)

Titel: Berge Meere und Giganten (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alfred Döblin
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Physiker haßten nichts so wie grüne Saatfelder Wiesen, die burleske Ansammlung von Viehherden. Wie aus früheren Erdperioden ragten noch in diese Zeit Schlachthöfe Wurstläden Bäckereien hinein. Bäckereien: das waren Dinge, die man auf altassyrischen Tontafeln meldete.
    Der große Meki in der Stadtlandschaft Edinburg hatte das führende Laboratorium. In ihm arbeiteten zweihundert ausgewählte Menschen. Wer nicht mit belangloser Teilarbeit beschäftigt war, verließ das Gebiet jahrelang nicht. Meki, der dem Edinburger Senat angehörte, war vom Senat gehalten, die Bewachung seiner Gehilfen streng durchzuführen, bei Verdacht auch nicht vor Internierung sich zu scheuen. Man erzählte damals und später viel von der grünen Tafelrunde Mekis. Grüne gleichmäßige Kleider trugen die Männer und Frauen Mekis. Sie saßen zweihundert an ihren Tischen in dem großen Wohngebäude hinter den Instituten. Im selben Raum standen, in dem hufeisenförmigen Zwischenraum ihrer Tische, kleine Tafeln, an denen in violetten Kostümen Menschen aßen und tranken, die man Gäste nannte. Sagte man »Gäste«, so zog man, wenn man frisch in das Institut kam, leicht die Oberlippe zum Lächeln an; ältere runzelten die Stirn. Es waren die Menschenopfer, die man für die Versuche brauchte, sobald sie in ein gewisses Stadium getreten waren. Sie sahen aus wie die anderen; allmählich veränderte sich ihr Anblick, sie wurden durch andere ersetzt. Der Senat schickte aus der Stadt auf einen Hinweis die Menschen herauf, niemals unruhige ängstliche, noch Menschen, die Verdacht schöpften, sondern stets Beliebige, unter dem Schein der gewünschten Mithilfe und Einweihung in die Geheimnisse. Aber man weihte sie nicht ein, diese hundert Menschen, die sich wunderten, wie man sie täglich wog, ihre Körperwärme maß, sie in Gastzimmer tat; aber sie nahmen keinen Anstoß daran, denn sie sahen, daß auch die Grünen sich selbst untereinander so wogen und kontrollierten. Sie gingen in den Wäldern mit den anderen, liefen trieben Sport, aber immer wieder verschwanden welche. Sie kannten nicht das weit zurückliegende riesige Lazarett, das neben den Stallungen für kranke Pferde und Hunde tausend Betten für Menschen hatte. Denn so viel Leidende häuften sich von Zeit zu Zeit an. In Einzelräumen lagen sie; zu keiner Zeit sprach einer den anderen; und wer genesen war, wurde nach Chicago gesetzt in die Nähe der Station Alice Layards, die die Menschen unter Augen behielt.
    Die Violetten Mekis kannten auch nicht den weiten sonderbaren Friedhof. Das waren in den Boden gebaute kleine Betonkeller, die hell zu beleuchten waren. Ging man die Treppe herunter, so stand vor einer tief ausgekehlten Wand eine Zahl von Kolben Gläsern Becken, die Öffnungen teils verschlossen, teils mit Hähnen versehen, durch die zischend Gasartiges ein und aus lief. Kleine Ventilatoren trieben surrend die scharf säuerliche Luft des Kellers durch ein Schornsteinrohr aus. Jedes Glas und Becken war signiert; angekettet an der Wand hing ein mächtiges Buch voller Eintragungen. Über ihren Tod hinaus wurden die Violetten verfolgt, die Veränderungen ihrer Organe nach dem Aufhören der Verbindung mit den andern weiter geprüft. Es wurde niemand den Grünen gleichgültig, wenn er starb und das verlor, was man oberflächlich seinen »Geist«, sein »Leben« nannte. Aus den Speisesälen und Laboratorien stiegen sie auf den Friedhof, maßen weiter Wärme, entnahmen Flüssigkeiten, setzten Stoffe zu, regulierten die Gaszuführung, führten elektrische Ströme durch, jagten Strahlen durch die ruhenden Teile. Die Violetten wußten nie, was mit ihnen geschah. Sie glaubten zu leben zu essen zu trinken zu atmen wie die anderen. Aber sie aßen Scheinspeise, tranken Scheingetränke, atmeten Luft in ihren Zimmern, in ihren gut abgesonderten, verschlossenen Gastzimmern, die mit geheimen Substanzen gesättigt waren. Was man ihnen vorlegte, im hufeisenförmigen Zwischenraum zwischen den plaudernden Tischen der Grünen, sah aus wie Braten, schmeckte wie Soße Wein Kuchen Kaffee Schokolade. Bisweilen und fast immer im Beginn war auch der Braten, die Soße da, Träger der Prüfstoffe. Später gab man nur Scheinnahrung: fleischähnliche Massen Gallerte, die gehärtet war oder leberartige Dichte hatte. Sie war angereichert je nach dem Versuch mit den Substanzen, die man prüfte.
    Hier gingen, in den Wäldern Zimmern Sälen, die Violetten, die Gäste, junge Männer und Frauen aller Rassen, als wäre nichts.

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