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Berge Meere und Giganten (German Edition)

Berge Meere und Giganten (German Edition)

Titel: Berge Meere und Giganten (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alfred Döblin
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einer Menschenmasse muß jeder anderen Bemühung vorangehen. Ein Soldat ist gesättigt, jenseits von Glück und Unglück, in seinem Dienst. Verläßt er Reih und Glied, geht er allein mit den Kameraden oder in eine Familie, so beginnt das Schwanken seine Unbrauchbarkeit Gefährlichkeit.
    Die Wasser- und Sturmlehre Sörensens und Surrurs zeigte auf die Einförmigkeit der Wasser- und Luftteilchen; man könne nur als Phantast annehmen, daß es Luftpersonen und Wasserpersonen gäbe. Milliarden Luft- und Wasserteilchen sind völlig gleichartig zusammengeschoben, bilden Luft und Wasser. Luft und Wasser aber sind Dinge, gewaltiger an Kraft als Staaten und Menschenhaufen und von unglaublicher Beständigkeit. Surrur, dem die Technik der Lebensmittelsynthese Außerordentliches zu verdanken hatte, behauptete ernsthaft und nachdrücklich von Edinburg aus: es bliebe den Menschen nichts weiter übrig als Einzeltier oder vegetative Masse zu werden. Das Einzeltier sei unmöglich. Bliebe nur die vegetative Masse. Damit sei gegeben: Aufhören der Geschichte, Sicherheit der Art Mensch. Er dachte das durch staatliche Züchtung, über Jahrhunderte fortgesetzt, durch biologische Eingriffe, besonders Ernährung zu erreichen.
    Mit Lehren dieser Art wurde ausgesprochen, was sich im europäischen Völkerkreis schon bewegte. Es sollte sich zeigen, daß sie ununterdrückbar immer wieder auftauchten und einem tiefen Drang der gehetzten Wesen entsprachen.
    Dem aufkommenden einförmig strengen Massenideal konnten sich die Frauen am leichtesten unterwerfen. Damals forderte niemand Milde. Erbarmungsloses Sichten und Ausscheiden wurde als selbstverständlich angesehen. Man vernachlässigte planmäßig den Schutz der Schwachen. Unglückliche wurden nicht bedauert, sondern verachtet. Das Humanitätsgefühl, das ererbt war, schwand. Überall blieben am Rand der großen Menschengesellschaften, in den größten Städten, Organisationen zurück, die, von Abkömmlingen der alten Herrengeschlechter geführt, es sich nicht nehmen ließen, Sieche Greise Kranke zu pflegen. Sie waren in vielen Landschaften, in manchen Jahrzehnten, verfemt, konnten sich nur unter Decknamen im tiefsten Dunkel am Leben erhalten. Und besonders das anströmende Volk war es, das diese Wohlfahrtsgesellschaften haßte, ihre Niederlassungen oft sturmartig vernichtete. Einzig am Glanz der Apparate teilzunehmen, ihre Kraft vorwärts zu treiben, beseelte die Menschen: hier gediehen die Frauen. Der schwächliche Typ der westlichen Frau verschwand. Die neu aufkommenden Frauen haßten nichts so als zarte Frauen, die die Wonne der Männer gewesen waren. Sie mißbrauchten sie, machten sie zu Dienerinnen, demütigten sie grausam, deren Art nach wenigen Generationen einging. Überall taten sich die Frauen beim Absterben der Familie zusammen, übernahmen die Initiative für den Schutz und die Aufziehung der Säuglinge und kleinen Kinder. Sie hatten die gleiche Sachlichkeit und Kälte wie die Männer, dazu größere Brutalität. Lebten in gewaltigen Kameraderien, die sich über die größten Stadtlandschaften ausdehnten, saßen aber auch in den einzelnen Werken und rangen mit den Männern, die sich gegen die Frauen wehrten wie gegen andere Männer. Die Männergesellschaften, die sich dann bildeten, konnten an Kraft nicht mit den Frauenbünden wetteifern.
    In diesen Bünden organisierten die Frauen den Dienst und die Verteilung der Geburten. Sie waren sich bewußt, welche Einbuße ihr Geschlecht durch Schwangerschaft Geburt Stillen der Kinder erlitt. Es hieß den Nachteil möglichst gering gestalten, die Fähigkeit der Frau, Kinder zu gebären, aus einer Schwäche zu einer Stärke zu gestalten. Die Frauen waren es, welche lange Zeit allein unter sich bestimmten, wer von ihnen und wie viele sich zum Gebärakt herzugeben hatten. Denn es war klar, daß man ebensoviel Kampfeinheiten verlor. Erst in diesem Augenblick wurde die jahrhundertelang diskutierte Frage der Menschenzüchtung beantwortet, gelegentlich der Lösung einer anderen Aufgabe. Die Frauen stellten sehr widerstandsfähige starke ihnen genehme Exemplare für die Kindererzeugung bereit, von denen sie erwarten konnten, daß sie durch Geburten nicht niedergebrochen wurden und daß sie kräftige Kinder bringen würden, an die nicht überflüssige Kraft vergeudet wurde. Die Einrichtungen, die die Frauen aller Kapitalen nach Absterben der Familien für die Mutterweiber schufen, waren die einzigen von humanitärem Anstrich und gehörten zu den

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