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Berge Meere und Giganten (German Edition)

Berge Meere und Giganten (German Edition)

Titel: Berge Meere und Giganten (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alfred Döblin
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Berieselungsanlage auf das trockene Beet fallen läßt, sondern wie eine Bestie, die man auf die Straße führt, mit eisernen Stangen rechts und links gehalten, so, zwingend fesselnd, ließen im zweiten Drittel des sechsundzwanzigsten Jahrhunderts die großen westländischen Stadtschaften die ungeheure Neuerung unter ihre Menschen hinaus. Senate, neue Herrenschichten wurden wie durch kein früheres und späteres Ereignis in diesem Moment zusammengeschweißt, zu Stein befestigt. Jetzt mußte man zur Erkenntnis kommen, wer man war. Vor aller Augen stand das großartige Beispiel Englands selbst, der weisen erfahrenen Führerin dieser Völkermasse, die den großen Meki behandelte wie einmal Spanien den viel kleineren Christoph Kolumbus: sie kerkerte ihn fast zehn Jahre in seiner Edinburger Anlage ein. Meki selbst legte, freigelassen und nach London zu einer Besprechung geladen, Hand an sich.
    London faßte, daß man sich in den alleinigen Besitz aller Geheimnisse der Synthese und aller Anlagen setzen mußte und daß man damit in den Besitz eines beispiellosen Machtmittels kam. Während die Schwesterstadt Neuyork noch zögerte, hatten Londons ruhige stille Männer und lächelnde langsame Frauen schon Anlagen nach Anlagen in Wales und Cornwall errichten lassen. Und während die Senate der Kontinente die Verzögerungsmaßnahmen berieten, die Dosierung der Herausgabe an die Massen, gab plötzlich an einem bestimmten Maitag der Londoner Senat allen ihm direkt unterstehenden und befreundeten Landschaften die bedrohende Neuigkeit bekannt, gab bekannt die Zahl und den Ort der stark geschützten Fabriken, nannte den Namen des toten ruhmreichen Meki, dem der Senat zum Jahrestag seines Freitodes Säulen in allen großen Zentren zu errichten befahl.
    Wie einen Schlag ließ der kühle Senat auf seine europäischen und afrikanischen Gebiete die Nachricht niedersausen. Er zeigte auf die sehr geringe Arbeitsleistung für die synthetischen Zucker Fette und Fleischmassen, ermahnte sich der Neuerung zu bemächtigen und äußerlich die von der Wissenschaft hergestellten Substanzen zu erfreulichen Genußmitteln zu machen; kündigte an, daß eine neue Ära in der menschlichen Arbeit beginne: dieser Triumph entlaste die nach Freiheit und Würde ringende Menschheit.
    London wußte, daß Verwirrungen und Unruhen in allen Gebieten seines Einflusses einsetzen würden, auch, daß es zuletzt Herr der Situation sein würde. Den Atem verhaltend sahen die kontinentalen Staaten und großen Stadtschaften dem Vorgehen Londons zu, das entschlossen war, weit über Jahrhunderte voraussehend, den schwächeren Tochterstaaten zu zeigen, welcher Weg zu gehen war: der der absoluten Inbesitznahme der Machtmittel durch eine sichere Schar Menschen. Über die von England beherrschten Gebiete der britischen Inseln und Afrikas kam ein Taumel. Es ist nichts dem angstvollen Tumult zu vergleichen, der, rasch gesteigert, sich nach einigen Wochen in den Landstrichen entwickelte, die, in Südafrika vornehmlich, dem Ackerbau und der Viehzucht dienten. Als die großen Stadtschaften den Auftrieb der Viehherden ablehnten und man Viehhöfe Schlachthäuser schloß. Als man die Bewachung der Getreidespeicher aufgab; die Tore der Speicher offen ließ, das Mehl in Säcken auf die Höfe schüttete. An vielen Orten waren vor kaum einem Jahrzehnt starke Mühlenanlagen nach neuen Prinzipien errichtet worden; sie bedeckten das Areal großer Dörfer; umgeben waren die Gebiete von Spielplätzen Wohnhäusern Verkaufsstätten. Die Speicher ließ man geschlossen, dann wurden sie von lungernden Massen angezündet; die Mühlen gesprengt. Es war eine falsche bewußtlose Richtung, in der die Erregung, die flakkernde oft mit Wut geladene Fassungslosigkeit der herumlagernden Massen ablief. Sie brachen von ihren Wohnsitzen auf, gingen zielsuchend an die Zentren heran. Die Stadtschaften selbst waren unterminiert, die Hallen großer Fabriken leer. Draußen trieb die Landbevölkerung an, trollten die Bauern, die durch Gerüchte erschreckt waren, wogten die Männer und Frauen, die die Eisenwerkzeuge für die Äcker gearbeitet hatten, geschmolzen gehärtet geschmiedet geschnitten erkaltet geputzt. In dem Gewühl der Menschen war ein Hin und Her der Gefühle. Niemand entbehrte Nahrung, niemand konnte sagen, daß ihm etwas entzogen war und doch bluteten sie, waren widerwillig finster, als sie von den Öfen getrieben wurden, die Mühlen stehen ließen. Man würde ihnen sagen, erfuhren sie an den Zentren, was

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