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Berge Meere und Giganten (German Edition)

Berge Meere und Giganten (German Edition)

Titel: Berge Meere und Giganten (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alfred Döblin
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Boden fluteten, verlangten sie Schutz vor den Erfindern, oder wie sie sagten: vor den Konzernen.
    Da griffen die örtlichen längst verblaßten Senate dies Stichwort auf. Sie kamen den Massen entgegen. Die Senate schworen, jeder Zertrümmerung der Stadtschaften durch fremde kriegerische oder technische Angriffe Widerstand zu leisten. Dann stellten sich die Stadtschaften, stolzer als je aufwachsend, auf eigene Beine. Die zertrümmerte Gewalt der großen Familien wurde neu gekräftigt. Die Stadtschaften mußten sich zum Teil nach rückwärts entwickeln, vielseitig arbeiten und erzeugen, um nicht durch einen Stoß umgeworfen zu werden. In den Stadtschaften bewegten sich die gezügelten Massen sehr ruhig. Sie durften brüllen: »Weg mit neuen Erfindungen!« Dieser Haß war es auch, der den neuen Herren es erleichterte, die Zahl der zur Technik und Wissenschaft zugelassenen Menschen wieder zu rationieren und sich selbst zu befestigen. Die Senate ließen sich offen das Mandat geben, neuaufkommende Techniken zu prüfen und ihre Verwendung zu genehmigen. Die Stadtschaften hängten sich eng aneinander. Es bestand ein Ring der Stadt- und Landschaften. London, sehr aufmerksam, kontrollierte sie mit ihrem eigenen Einverständnis.
    Die Herren der Städte aber, mit Volkszustimmung zu großer Macht gelangt, saßen hohnvoll hoheitsvoll da, Männer und Frauen, und lachten. Lachten, wie die Völker ihnen vertrauten; sie wollten gewiß helfen, daß den Städten nicht der Boden durch neue Erfindungen entzogen wurde. Lachten: »Wir werden euch nicht den Boden wegziehen lassen. Wenn ihr nur wüßtet, auf welchem Boden ihr steht.«
    Es liefen damals Vertreter von Sekten und Kirchen in allen Landschaften herum, warnend vor Fortschritten, vor den schamlosen Weltkonzernen und ihrem zerstörenden Wirken. Sie warnten, wie sie wieder starke Männer und Frauen an der Spitze der Städte und Landschaften sahen, vor diesen Geschwistern der Melise von Bordeaux, den immer wiederkehrenden Bösen. Man könne nicht erraten, was die Macht, dieses höllische Untier, das diese überfallen habe, mit ihnen anfangen werde. Die Oberen strahlten. Gaben allen Sicherheit Beschäftigung Glanz.

    MIT DEM Aufkommen der künstlichen Lebensmittelsynthese im sechsundzwanzigsten Jahrhundert trat ein beispielloser allgemeiner Umschwung ein. Es erfolgte eine Veränderung aller Lebensverhältnisse, zugleich die Nötigung, zu strengen ja strengsten Herrschaftsformen zurückzukehren. Der Gewalt dieser Nötigung konnte kein gutgemeintes Protestieren standhalten. Die aus den Massen Kommenden waren es, die am intensivsten die furchtbare Entdeckung betrieben und die Reaktion herbeiführten. Die führenden Senate hatten vehement die Arbeiten betreiben lassen; ihr Fortschritt stürzte sie in Verwirrung. Als die ersten glücklichen Resultate nach Jahrzehnten des Tastens vorlagen, erschraken sie. Ließen die Arbeiten erst unterbrechen, neu beginnen; dann hielten sie die Resultate zurück. Die Erfindungen durften nicht heraus, die Erfinder saßen in ihren eigenen Reihen. Jahrzehntelang lagen in den Laboratorien von Chicago und Edinburg die Versuchsanordnungen fertig, deren Ausführung katastrophale Wirkungen auf das Zusammenleben der Menschen üben mußte.
    Man war nicht den Weg der einfachen anorganischen Zusammenstellung gegangen, sondern drang von Beobachtungen des pflanzlichen und tierischen Organismus aus vor. Die ultramikroskopische Beobachtung und Feinregistrierung an überlebenden Organen hatte nach ungeheuren Schwierigkeiten Fehlgehen, bei unermüdlicher Arbeit ganzer Bataillone von Chemikern Physikern Physiologen Klarheit geschaffen über die Umsetzungsvorgänge im lebenden Körper. Es hatte der größten Fortschritte in der Physik, im Bau der Ultramikroskope, der elektrischen Maßapparate bedurft. Von Alice Layard in Chicago, einer weißen Frau, einem Wunderexemplar der Menschheit, die von phantastischer Schönheit war, kamen entscheidende Anregungen, in der Registrierung, der automatischen Aufzeichnung von begleitenden mikroelektrischen und Wärmevorgängen in den Organzellen. Darauf lief die Zerlegung der komplizierten Aufbau- und Abbaumechanismen rasch ans Ziel.
    Die Physiker und Chemiker emanzipierten sich vom Tier- und Pflanzenkörper. Man dachte längst mit Widerwillen und halbem Lachen an die Hungersnöte, die ein einziger dürrer Sommer über ganze Landstriche bringen konnte; diese absurde Abhängigkeit der Menschen von Hitze und Trockenheit. Diese Chemiker und

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