Berge Meere und Giganten (German Edition)
Hände weg: »Im Grunde ist es dir dann gleich, wer ich bin. Brauchst dich doch nicht um mich zu kümmern. Bimmele dir etwas vor, und du sagst: es bimmelt und bist zufrieden.« »Eben.« »So kann ich sagen was ich will? Auch nichts sagen? Vielleicht auch weggehen?« »Nicht weggehen. Du kannst dich rühren und bewegen und du erfreust mich. Gott, sagt der und der, hat jedes Haar auf dem Kopfe gezählt. Ich auch. Komm her. Ich habe jedes Haar, jede Strähne gezählt, kenne sie ganz genau, besser als der Gott, denn sie sind mein. Und deine Nase und dein Mund und deine Füße in roten Strümpfen und dein Kleid: das bist alles du und ich brauch gar nicht drüber nachdenken.«
»Von dir aber kann ich sagen, Jonathan, wer du bist.« »Ach tu es nicht.« »Warum nicht. Ich kann es doch. Ich kann es dir mit zwei drei Worten ganz genau beschreiben. So genau, daß jeder gleich weiß, wer es ist und sagt, das bist du.« »So sag.« »Du bist Elinens liebster Mensch. Du bist meine Freude. Mein trüber Himmel und mein sonniger Himmel. Mein Jäger mein Räuber mein Wald mein Haus meine Stube mein kleines Kissen. Meine zerbrochene Scheibe, meine ganze Scheibe. Ich kann dich streicheln und du gehörst zu meiner Haut zu meiner Hand. Mein Auge mein Ohr meine Stirn meine Brust. Du alles. Nun weißt du, wer du bist.« Sie hielten sich. Er lächelte, während sie die Linien seines feinen Gesichts mit Küssen nachzog und über seinen Augen lange stillhielt. »Mach die Augen auf«, rief sie, »du träumst ja schon wieder.« »Nur schöne Dinge, Elina. Ich dachte, wie du mich in das Haus gesperrt hast, als die Leute auf mich losgingen, weil sie Marduks Freund nicht wollten. Da hast du den Schlüssel verloren und mußtest mir zum Fenster hinaushelfen. Ich bin statt auf deine Schulter zu steigen an dir vorbeigesprungen, auf meinen Arm.« »Der wieder gut ist.« »Damals habe ich mich zum ersten Male, in deinem Zimmer, nach dir gesehnt. Du solltest kommen, dacht ich mir; Marduk verdirbt mich. Jetzt ist die Stunde für dich, die mich schon eingesperrt hat für sich. Aber es war still. Du kamst nicht.« »Ich hab den Schlüssel nie wiedergefunden.« »Und ich freute mich, wie ich dich weinen und betteln hörte draußen. Kein Wort hab ich gesagt. Mit dem Gesicht lag ich an dem Türholz. Eingesperrt war ich, aber frei. Freier Jonathan. Nach einigen Stunden war er auch frei.« »Nun sind die Augen wieder auf.«
Sie wohnten nahe dieser Wiese in einem Gehölz, zwei Tage, in einem künstlichen Haus, wie es Lustreisende damals viel brauchten. Das Haus oder Zelt bestand aus gazeartigen Tüchern, die man an einem Gestell befestigte, das nicht dicker als ein Streichholz war. Das Gestell war aus leichtestem starken Metall. Sie setzten, wo es ihnen wohlgefiel, aus ihren Tornistern das Gestell auf den Boden. Eine Gasflasche wurde angeschraubt und leicht erwärmt. Die doppelwandige Gaze prallte Seite an Seite hoch, stand fest und hart wie aus Beton. Fußboden und Decken wurden so errichtet. Fenster und Türen, schwarz oder durchsichtig, konnten eingefügt werden. Das einzimmrige Häuschen wurde wie ein Schiff verankert. Und überall in schönen Gegenden fand man Pflöcke mit Ketten und Zeichen, die die nächsten Ankerplätze angaben. Aus Fußboden und Wand konnten bei manchen dieser Häuser Betterhebungen vorgetrieben werden aus polsterartiger Substanz, Schrankvertiefungen Bankerhöhungen.
Jonathan wohnte da mit Elina. Sie trug an ihrem Körper mit Freuden ein Hemd, das sie sich in Frankfurt gekauft hatte. Sie hatte es unbemerkt vor Jonathan gekauft. Es war in der Stadtschaft als ein zauberhafter feiner Stoff von den Frauen geheimnisvoll angepriesen. Ein weicher Stoff war es, vom Aussehen dünnster Fischschuppen, ein lebendes Gewebe, das man wie Perlen auf warmer feuchter Haut trug, mit deren Atmung es gedieh. Dann teilten sich die Zellen, Myriaden. Eine Haut unter der ersten erschien, dichter enger an der menschlichen Haut, der sie auflag, über der sie kaum ablösbar hing. Die obere Haut trocknete ein, stäubte ab. Weiß war die Farbe des Hemdes, das man kaufte. Nach einer Woche trat unter dem Ergrauen und Abschilfern des Mutterhemdes eine grüne Farbe hervor. Dann vollzog sich der Vorgang, der ein Generationswechsel war, weiter; rot trat hinzu, violettes Schillern. Die Moosstoffe, aus botanischen Versuchsstätten, waren sehr sorgsam zu pflegen.
Er saß bei ihr am Bett. »Elina, komm nach Berlin.« Elina war heißer und fremder geworden. »Ich mag
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