Berge Meere und Giganten (German Edition)
Schluß meines Lebens noch sehr böse.«
Als Jonathan ihm zum Abschied die Hand gab, hielt Marduk diese glatte warme Hand eine Weile mit seinen beiden fest. Mit einer leichten zwangmäßigen Gegenbewegung entzog sie ihm kaum merklich der Jüngere. »Ich werde ihn nicht mehr besuchen«, dachte Jonathan, als er frierend die Treppe herunterstieg. Entschlossen in tiefer Seele war er. »Niemals, niemals mehr werde ich ihn besuchen. Und wenn er mich tötet, mich ins Gefängnis steckt, alle Martern an mir vollstrekken läßt. Ich werde ihn nie besuchen.« Ein riesengroßer Abscheu vor Marduk ging durch ihn. Er war hingerissen von der Gewalt dieses Abscheus. Und als er draußen war, lief er seitlich in stille Parkanlagen. Lief weinte schlug sich die Brust vor Widerwillen Empörung grenzenloser Scham. »Die Schmach«, dachte er, »die mir dieser Mensch angetan hat.« Ein Ekel schwamm in seinem Mund. Er spie es von sich. Drängte langsamer zum Park hinaus. Als er wieder Menschen sah, konnte seine Brust tief und voll atmen. Er verachtete Marduk. »Ich gehe niemals zu ihm. Es wäre wirklich gut, man beseitigte diesen Graukopf. Der Staat könnte nur gewinnen. Alle könnten dabei gewinnen.«
In der Tat wankte Marduk damals. Er, der sonst einsam auf den Zentralen saß, ging mit deutlicher Unsicherheit herum, sah hier zu, dort zu, fragte. Es geschah oft, daß er von seinen Wachen gebeten wurde, auf sich zu achten, weil er sich in schlimme Lagen begab. Man sah den Konsul mit einem Hund durch die Straßen gehen, einem großen starken Wesen. Das Verschwinden des Tieres beendete diese gefährliche Epoche Marduks. Da verließ er die Straßen. Er war der alte immer Entschlossene, dem, wie viele sagten, an nichts so gelegen war wie an der raschen Entvölkerung der Stadtlandschaft.
VIERTES BUCH DIE TÄUSCHER
WEICH UND schlank, mit einer gebundenen, oft sprühenden, leicht sich erhebenden Freudigkeit ging Jonathan durch das Ratsgebäude. Bänder und Federn hingen an ihm. Er galt als der Trabant Marduks. Etwas von dem Schrecken, den der Konsul einflößte, ging auf ihn über. Es machte ihm Freude, den Schrecken zu gebrauchen. Wenn er in der Dämmerung durch die Straßen schlenderte, die leerer lichtloser lärmloser waren als früher, fiel ihm öfter seine Mutter ein. Vor seinem stolzen in sich gekehrten Blick stand sie, nicht mehr mit klaffenden Schultern, bewegungslos hängenden Armen. Unter seinen stolzen schmelzenden Blicken, unter den leidenden schmerzgesättigten heischenden bewußten Blicken gab sie nach. Von seinem Mund, seinen Wangen floß es her: sie war eine ferne sich weit hinbreitende grüne Landschaft, Wipfel Äste und Laub, Himmel darüber. Das war, er fühlte gesättigt, seine Mutter.
Als er einmal dem Ratsgebäude sich näherte, – der Ernst umschwebte ihn, seinen silbernen Mantel hatte er eng an sich gezogen, – saß da eine gelbbraune junge Person, die geschlafen hatte und ihn gerade auf sich zukommen sah. In einem jähen unsinnigen Schrecken wollte sie in das Gebäude. Das war verschlossen. Sie lief im Augenblick, stürzte die Straße entlang. Erst da achtete Jonathan auf, sah sich nach allen Seiten um, wer das Mädchen verfolgte. Verblüfft sah er nichts. Er war es selbst. Er rannte halb hinter ihr her ohne zu wollen. Straßen nach Straßen. Das Mädchen lief angstvoll, schrie. Seitlich Gehende erkannten Jonathan, blieben lachend stehen. Er stürzte lang hin. Sie stand im Augenblick erschreckt, rannte zaghaft, sich oft umdrehend, weiter. Er war verärgert, sein Knie brannte. Er verstand das Ganze nicht. Jäh stürzte er nach. Sie lief langsamer im Kreise. Er warf sie von rückwärts auf das Pflaster. Erbittert bückte er sich über sie, die auf dem Gesicht lag, zog sie an dem Kragenausschnitt hoch. Sie wehrte sich nicht, hielt den Arm vor das Gesicht. Er schrie, was sie am Ratsgebäude zu tun gehabt hätte. Sie wimmerte, ohne das Gesicht zu zeigen, daß sie Hausgehilfin sei und den Hund der Frau beschädigt hätte und die Frau hätte geschworen, sie gehe direkt zu Marduk und werde Anzeige erstatten. Jonathan fiel es ein zu sagen, die Frau hätte schon Anzeige erstattet und er werde sie vor Marduk führen. Sie kam nicht von der Stelle, bettelte, zeigte ihr fremdländisch faltenlos linienlos glattes Gesicht, die leicht abgeplattete Nase, einen weiten törichten Mund. Er verbat sich ihr Reden, sie mußte mit. Mit heimlicher Freude führte er sie streng durch die Straßen. Dann gab er sie in ihrem Hause ab, wo er
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