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Berge Meere und Giganten (German Edition)

Berge Meere und Giganten (German Edition)

Titel: Berge Meere und Giganten (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alfred Döblin
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um einen Anprall abzuschwächen. Elina und Jonathan unter bunten Tüchern tänzelten in ihrem Gefährt über den Waldboden, waren im Begriff, sich zu senken, um einen Bach zu überqueren, der dicht hinter einem niedrigen Gehölz floß. Sie überblickten die Landschaft nicht, und wie sie aufsetzten, tönte ein Schrei unter ihnen. Schon schwirrte der Apparat wieder hoch, Jonathan beugte sich vornüber, um zu sehen. Sie machten einen Sprung, sich drehend, zurück; die Bremse schlug an; hart setzten sie an der Stelle des Schreis auf. Da schleppte ein Mann eine Frau an den Bach. Sie trugen beide dunkelgrüne Kleider, nur wenn sie sich bewegten, unterschieden sie sich vom Gras. Jonathan sprang aus dem Gestell; Elina, die nachspringen wollte, mußte er zurückhalten, bis er die Füße des Apparats verschraubt hatte; der gewicht- und führerlose Apparat wäre davongetänzelt und an einem Baum zerschellt.
    Der Frau, die am Bach lag, hatte der Mann das Kleid über dem weißen Rücken aufgerissen. Eine krallenartige Fleischwunde spritzte da rotes helles Blut. Der Kopf der Frau lag schräg über dem Uferabfall, gelbweiß ihr Gesicht; der Mensch hantierte mit einem grünen Tuchfetzen. Er murmelte, wie Jonathan neben ihn trat: »Was habt ihr gemacht. Was soll ich tun.« Jonathan stammelte: »Ihr liegt hier im Gras. Wir haben euch nicht gesehen. Ihr habt kein Zeichen gegeben.« Elina: »Sie stirbt ja, Jonathan.« Sie warf sich über die Frau, öffnete ihr Kleid, drückte ihre Brust an die Wunde. »Mein Hemd ist lebendig, das hilft.« Blut überrieselte ihre Brust. Sie kniff in Ekel und Schauer die Lippen ein. Mit starren Mienen lag sie da. Als die Äste unter dem Wind knackten, drehte sie den Kopf: »Sieh zu, Jonathan, daß keiner kommt«, und zupfte an ihren Röcken, die über die Waden aufgeschoben waren. Nach einer Weile hob sie sich sachte von der Frau. Ihr Gesicht erhellt; das Blut spritzte nicht mehr. Bis an den Hals war sie blutbelaufen; Oberlippe und Stirn trugen Spritzer.
    Der Mann trug, als Jonathan auf ihn einredete, die Frau in den Apparat. Jonathan löste die Verschraubungen, sprang ein. Der Mann trat zurück; der Apparat streckte die Beine, zog sie an, streckte sie, schwirrte mit hohem Metallgesang auf. Zierlich schwebte er in Manneshöhe über dem Bach, wendete in einem Kreis, flog wippend über die Unglücksstelle den Häusern der großen Stadt zu.
    Elina hatte sich zwanzig Schritte aufwärts der Stelle am Bach gewaschen, gebeugt über dem Wasser kniend. Hand um Hand schöpfte sie Wasser, das sie erst anhauchte, als wenn sie es wärmen wollte, goß es gegen die Brust. Sie strich zu dem grünen Mann hin: »Ich möchte meinen Freund hier nicht erwarten. Wenn Sie wollen, gehen wir in die Stadt und sehen, wie es der Kranken geht.« Der lag am Wasser. »Kommen Sie. Suchen Sie etwas?« Mißtrauisch blickte er sie von unten an: »Ich werde noch hier bleiben. Wenn der Herr wiederkommt, werde ich hören, was sie macht.« »Sie wollen also warten.« An einem Baum stehend betrachtete Elina den Mann. Sie zweifelte nicht, als sie eine Weile gestanden hatte, daß er etwas suchte am Wasser und daß er an seiner Brust etwas verbergen wollte. Sie schlenderte seitlich zurück. Und als sie langsam summend wiederkam, ging er ihr entgegen. Da wußte sie, es war ein Vertriebener, der heimlich zurückgekehrt war und Versuche machte, ein Täuscher. »Mein Fleisch, mein Blut« zitterte es in ihr, mit einem verborgenen stachelnden Entzücken. Ein fürchterlicher Haßblick aus seinem traurigen Gesicht traf sie. Sein grünes blutgesprenkeltes Kleid war von Art der Bergleute; eine Kappe hatte er über die Ohren und tief in die Stirn gezogen. Stämmig und breit trabte er. Sie war immer einige Schritte hinter ihm: »Laufen Sie doch nicht so; ich komme nicht mit.« Er zwang sich, ging langsamer. Sie trieben durch das Buchenholz. Der Boden war braun. Und wie Elina den Mann suchte zwischen den Stämmen, fand sie ihn nicht. Sie lief. Da ging ein Mann, ein brauner, er ging ganz dicht bei ihr, sie hatte ihn nicht gesehen. Aber wo war der grüne. Sie wollte an dem braunen vorbeilaufen, da drehte sie sich zurück. Er hatte die Kappe ins Gesicht gezogen wie der grüne. Sie stand angewurzelt, als sie das vergrämte stumme Gesicht sah. Das war der grüne. Sie hastete hinter ihm. Das war sein Schritt. Der kurze stämmige Körper. Was war das. Wenn sie stehen blieb und er sich entfernte, erkannte sie ihn nicht zwischen Stämmen und brauner Erde. Sie rieb ihre

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