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Berge Meere und Giganten (German Edition)

Berge Meere und Giganten (German Edition)

Titel: Berge Meere und Giganten (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alfred Döblin
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streckte er aus dem Fahrzeug den Arm. nach ihr aus: »Elina! Elina!« Sie hielten sich umschlugen. Dachten nicht an den Mann, der stumm zur Seite blickte. Stammelten sich Liebesworte zu, als hätten sie sich monatelang nicht gesehen und fänden sich nach einer schrecklichen Trennung wieder. Sie wurden glücklich und matt zum Umsinken. Zu Füßen eines Baumes ließen sie sich nieder. Erst jetzt fühlte Jonathan, was ihm Elina war. Er sonnte sich an ihrem Gesicht. »Jonathan.« Elina drehte den Kopf nach oben, »du hast nicht gesehen, wer da steht.« Er blickte auf, erkannte den Mann, dessen Kleid bräunlich war. Elina beobachtete lächelnd Jonathan, flüsterte ihm ins Ohr: »Er ist ein Täuscher. Er ist verbannt.« »Sonderbar.« Jonathan blickte ihn weiter an, »ich hab es mir gedacht.« Er stand auf: »Der Frau geht es nicht schlecht. Sie wird in einigen Wochen wieder gesund sein. Man braucht nicht für sie zu fürchten.« Elina trat vor Jonathan: »Er glaubt, du verrätst ihn. Du sagst ihm etwas.« Lange wiegte sich Jonathan hin und her; er fühlte: »So rasch erfüllt sich alles.« »Ich bin Ihnen einiges schuldig. Ich werde Sie gewiß nicht verraten.« »Zwingen Sie sich nicht, Jonathan. Ich brauche keine Hilfe. Es genügt mir, wenn Sie mir versprechen, mich nicht zu verraten.« »Nein. Warum lachst du, Elina?« »Ich freue mich über dich, weil du zu ihm gesprochen hast. Wie ich dir danke. Du bist mein Jonathan.«

    NICHT LANGE darauf wurde von einer Anzahl rachsüchtiger Verbannter Magdeburg zum bewaffneten Standquartier gegen Berlin gemacht. Marduk, der finstere Herumlungerer, schlug mit Wut zu. Rapide und mit rasender Verachtung der Verbannten organisierte er den Angriff. Man erzählte sich in der Stadtschaft, er hätte nur auf die Verräter gewartet. Sie hätten kommen müssen, die Esel die erbärmlichen Gerippe die Strohköpfe. Es war sicher, daß es ihm eine Freude machte, auf sie loszuschlagen, und daß es ihn, der schon halb hingesunken war, wieder erhob. Während er in Berlin hielt, ließ er Lucio Angelelli, den schwarzen stillen Hauptmann seiner Wache, auf Magdeburg. Die Fernbrenner machte er wirkungslos, gegen seine Besen, die menschenverdrängenden Lichter, kamen sie nicht auf. Nach dem Auseinanderfall des großen Staatenkreises bestand keine Einheitlichkeit in den Kampfmitteln. Der Austausch, die gegenseitige Beobachtung war mangelhaft, man konnte wieder kämpfen. Lucio Angelelli fuhr mit den gefangenen Hauptverschwörern, über fünfhundert Männer und Frauen, rund um und quer durch die Stadtlandschaft. Zwei Wochen lang wanderte er durch Straßen Alleen, über Plätze Berge, fuhr Flüsse ab, rief auf Äckern und in Anlagen die Menschen zusammen. In dem Fatamorganarauch der Markezeit zeigte er überall, wie er eine Verschwörergruppe am Tage zuvor beseitigt hatte. Darauf vollzog er sein Gericht an der nächsten, während in der ganzen Stadtschaft die metallenen Stiersäulen ununterbrochen brüllten. Auf die einfache Köpfung, das Zerschlagen der Glieder, die Erstickung kamen andere Methoden. Einzeln ließ er sie in die Luft sprengen, aus führerlosen Flugzeugen zerschmettern. Er übte die langsame Vereisung durch sprühenden Regen, der auf Schulter und Hals und nach und nach alle Gliedmaßen des Delinquenten fiel. Er, die rechte Hand Marduks, wies, im Besitz welcher Macht man war. Er war es, der auf offenem Platz vor seinem Zelt eine der hingebrochenen vereisten weißen Figuren auf unerhörte Weise sich bewegen ließ. Sie zog ein Bein an, das andere, den Rumpf schräg aufrichtend schwankend; unter tiefer Stille ließ er sie auf sich zu spazieren; sie schlug den schneeigen Kopf rückwärts, neigte ihn vor ihm, senkte sich auf die Knie und lag auf der Seite, kollernd auf dem Rücken, eine weiße vereiste Menschenfigur, ein Toter, eine Tote. Er ließ sie aufschnellen, drohend gegen die auseinanderstiebenden Menschen anwandern.
    Um diese Zeit hatte Marduk es für nötig gehalten, um Akkerflächen zu erlangen, das Gebiet der Stadtlandschaft Berlin nach Norden gegen Mecklenburg hin über Güstrow Demmin Anklam hinzuziehen. Schon kurze Zeit darauf erachtete der Senat, der mit ihm Hand in Hand arbeitete, es für ratsam, über Demmin Anklam hinauszustoßen und sich über die sehr fruchtbare brache Gegend von Stralsund bis Anklam auszudehnen. Erst damals trat bei Marduk und dem Senat der Gedanke mehr in den Vordergrund, wie willkürlich geschnitten das Gebiet der Stadtlandschaft war, wie ungeheure Landmassen

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