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Berger, Fabian

Berger, Fabian

Titel: Berger, Fabian Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tiefschlaf
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Entsetzen stand ihr ins Gesicht geschrieben. »Als ich die Tür aufschloss, um die Beamten hineinzulassen, hörte ich das Summen von unzähligen Insekten. Allein das ist ja schon ekelhaft, aber bei Weitem nicht mit dem zu vergleichen, was ich dann gesehen habe. Die Tür stand nun bis zum Anschlag offen, und die Beamten waren wie gelähmt. Einer von ihnen kam sofort wieder herausgestürmt und übergab sich im Treppenhaus. Der andere stand einfach nur stumm vor einem dunklen Schatten, der sich auf dem Fußboden vor ihm ausbreitete. Erst als ich genauer hinsah, konnte ich die Leiche erkennen. Und ich kann Ihnen sagen, der Anblick war grauenhaft.«
    Vollmer bemerkte, dass die Frau ihre Erzählung an dieser Stelle abbrechen wollte. Er bemühte sich, ihren Redefluss wieder zu beleben. »Was haben Sie noch gesehen?«
    Sie hob ihre Hand und hielt sich den Kopf. Dabei krümmte sie ihre Finger, als würde sie eine Kugel darin halten und deutete damit auf ihre Schläfe. »So ein großes Loch! Und überall Blut. Der ganze Fußboden war voll davon. Und dann die vielen Insekten. Ich bin nur schreiend weggelaufen. Ich kann Ihnen sagen: Das war das Schlimmste, was ich je in meinem Leben gesehen habe.« Voller Ekel drehte sie sich weg.
    Nach einem kurzen Moment der Stille, die Vollmer als angemessen erschien, fuhr er fort. »Wie gut kannten Sie den Toten?«
    Die Frau hatte wohl noch mit den schrecklichen Bildern zu kämpfen und versuchte diese mit einem heftigen Augenzwinkern zu verdrängen. »Nicht sehr gut. Nachdem er hier eingezogen war, gab es nur zufällige Begegnungen.«
    »Und wie ist sein Name?« Der Reporter hoffte, mit seiner Frage nicht zu weit vorgestoßen zu sein. Doch die Frau zeigte keinerlei Misstrauen.
    »Korte. Jens Korte.«
    In diesem Moment kehrte der Notarzt wieder zurück. »Wer sind Sie?«
    Vollmer hatte ihn nicht kommen sehen und erschrak. »Ich unterhalte mich nur mit der Dame.« Er zwinkerte ihr verschwörerisch zu.
    Doch der Notarzt ließ nicht von ihm ab. »Die Frau ist in ärztlicher Behandlung. Ich fordere Sie auf, zu gehen!« Er hob seinen Kopf und winkte einen der umstehenden Beamten zu sich.
    Vollmer zog es vor, so schnell wie möglich zu verschwinden. »Entschuldigen Sie vielmals, aber ich werde mich wohl der ärztlichen Anweisung beugen müssen«, wandte er sich der Frau ein letztes Mal zu und ging.
    Als der Beamte den Notarzt erreicht hatte, war der Reporter auch schon in der Menge verschwunden. Er zog seinen Notizblock hervor und schrieb alles auf, was er soeben gehört hatte. Dann stieg er in seinen Wagen, warf die Kamera auf den Rücksitz und fuhr die Straße zurück. Das Gespräch mit der älteren Dame hatte ihm letztlich mehr Informationen geliefert, als er sich erhofft hatte. Für die Titelstory würde es reichen. Dessen war er sich absolut sicher. Doch irgendetwas sagte ihm, dass noch mehr dahinter stecken musste, als er sich im Moment vorstellen konnte. Etwas viel Größeres, Bedeutsameres. Der Gedanke ließ ihn erschauern. Womöglich war er seit heute Nacht der Story seines Lebens näher, als je zuvor.

-9-
    D ie Zeit hatte nicht mehr gereicht, Lorenz mit der nötigen Dosis Koffein zu versorgen. Mürrisch hatte er seine Wohnung verlassen und den Weg zum Präsidium in rasantem Tempo zurückgelegt. Die Erinnerung an das gestrige Gespräch mit Hannah hatte ihn die ganze Nacht lang beschäftigt und begleitete ihn noch auf dem Weg vom Parkplatz zum Haupteingang des Präsidiums. Als er die Tür mit einem kräftigen Stoß öffnete, streifte er diese Gedanken ab und versuchte sich wieder auf den aktuellen Fall zu konzentrieren. Allerdings viel ihm das weitaus schwerer, als er vermutet hatte. Er schaffte es, ungesehen sein Büro zu erreichen und wollte erst einmal das nachholen, was er heute Morgen nicht geschafft hatte. Während er sich den Rest des Kaffees eingoss, der noch vom Vortag übrig geblieben war, öffnete sich die Bürotür. Ein junger Kollege trat ein, mit einem dünnen Stapel von Papieren in der Hand.
    »Morgen«, begrüßte er den Vorgesetzten.
    Lorenz brummte kurz auf.
    »Ich wollte Sie schnell über den aktuellen Stand informieren«, entschuldigte sich der Kollege und fuhr sogleich fort. »Das Opfer heißt Jens Korte, ist Mieter der Wohnung, alleinstehend, hat keine Kinder, von Beruf Vermessungstechniker, zurzeit arbeitslos. Jedenfalls haben das die Befragungen der Nachbarn ergeben. In der Wohnung haben wir kaum etwas gefunden. Keinerlei persönliche Dinge, bis auf ein paar

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