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Bergrichters Erdenwallen

Bergrichters Erdenwallen

Titel: Bergrichters Erdenwallen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arthur Achleitner
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Ratschillerschen Cementfabrik hindurchschritt und das Knattern der Laufwagenräder beim Passieren des Stützbaues ihn aufmerksam machte. Die Gedanken bewegten sich dahin, daß eine Fahrt in einem solchen Wägelchen hoch in der Luft einem Selbstmord gleichkomme, sofern der Mitfahrende nicht absolut schwindelfrei und mit der Sache einigermaßen vertraut sei.
    Wie Ehrenstraßer aber in die Nähe seiner Wohnung kam und trotz der späten Abendstunde seine Mädels lärmen hörte, war das Thema vergessen.

X.
    Der nächste Tag im k. k. Bezirksgericht brachte das einmal in der Woche übliche Spezifikum des sogenannten „Amtstages“ und damit eine Qual für den Richter, der an diesem Tage Advokat, Rechtslehrer, Notar, Vermittler, Rater und wo thunlich, Helfer sein muß. Es ist am bestimmten „Amtstag“ jedermann gestattet, sein Anliegen dem Gerichtsvorstand vorzutragen, Ansuchen, Beschwerden &c. in Streitangelegenheiten und Strafsachen, sowie im „außerstreitigen Verfahren“ (Erbschaften, Vormundschaftswesen und dergl.) kostenlos zu Protokoll zu geben. Dieß ist eine große Wohlthat für die Bevölkerung, die jeder Bauer bis in die entlegensten Einöden hinauf genau kennt und von welcher meist ausgiebiger Gebrauch gemacht wird. Zum Amtstag kommen alle, welche ein Anliegen bedrückt; zu Ehrenstraßer um so lieber, da dieser humane Richter in den Augen der Bevölkerung ein sogenannter „gemeiner Mann“ ist, d.h. leutselig, warmfühlend und nicht hochfahrend, also ein Herz für die Bevölkerung hat. Ein Amtstag verlangt viel Lungenkraft vom Richter, der Auskunft und Belehrung meist doppelt und dreifach erteilen muß, bis der Bergbauer verstanden hat und zufriedengestellt ist. Des weiteren muß der Richter an solchen Tagen eine wahrhaftige Engelsgeduld haben, denn die Naivität des Bergvolkes ist groß und unausrottbar.
    So frühe Ehrenstraßer auch in seiner Kanzlei erschienen war, es warteten bereits Leute auf den Beginn des „Amtstages“ im Vorzimmer, und es fing der Richter die Amtshandlung an, bevor die Uhr die sonst übliche Beginnstunde anzeigte.
    Perathoner ließ die zuerst erschienene Partei vor und aus den Ladezetteln ersah Ehrenstraßer den Zweck sogleich.
    Eine Näherin aus dem Mittelgebirge hatte die „mündliche“ Vorladung [5] eines Bauers gefordert, weil dieser sie öffentlich als Hexe verschrieen habe.
    Auf heute war nun der Sühneversuch angesetzt und sowohl die Klägerin wie der Beklagte standen vor dem Richter.
    Der Bauer gab auf Vorhalt zu, das Weib als Hexe verschrieen zu haben, weil die Näherin seiner Kuh einen bösen Blick zugeworfen habe.
    „Aber Jörgel! Ein Blick schadet doch nichts!“ meinte Ehrenstraßer.
    „So meinst, Herr Tagrichter! Seit die Hex' im Haus war, giebt meine Kuh keine Milch mehr, und es war eine so gut milchende Kuh!“
    Ehrenstraßer bemühte sich im Dialekt eine Zeitlang, derlei Ansichten als puren Aberglauben hinzustellen und als Unsinn zu erklären, doch der Bauer schüttelte nur den dicken Kopf.
    „So willst du das Schimpfwort nicht zurücknehmen, Jörgel?“
    „Nu (nein)!“
    „Gut; es ischt solches Wort eine Beleidigung, und diese wird bestraft. Der Jörgel wird daher fünf Gulden Strafe zahlen müssen und zwar gleich da auf den Tisch!“
    „Zahlen thu' ich nix!“
    „Dann wirst halt auf drei Tag' eingelocht!“
    „Sell möcht' ich mir decht ersparen!“
    „So mußt du die Beleidigung zurücknehmen!“
    „Muß ich dann nix zahlen?“
    „Nein!“
    „Ich nimm die „Hex'“ z'ruck!“
    Endlich hatte Ehrenstraßer die Leute so weit, daß die Näherin die Klage zurückzog und mit der Revokation zufrieden, sich entfernte. Der Bauer blieb aber in der Kanzlei stehen, so daß der Richter fragte, was denn noch gewünscht werde.
    Jörgel rief gedämpften Tones: „Herr Gerichtshallunk! [6] Ich will Euch nur sagen, selles Mensch hat mir meine Kuh decht verhext! “ und sprang zur Thüre hinaus.
    Auf das Klingelzeichen trat die zweite Partei [7] in die Kanzlei, eine Frauensperson in den dreißiger Jahren von nichts weniger denn begehrenswertem Äußern, die sich verbeugte und sogleich in medias res eingehend, zum Bezirksrichter sagte. „Herr Scharfrichter, ich brauchet einen Kindesvater!“
    Ergraut in der Praxis, unterdrückte Ehrenstraßer das Lächeln und erwiderte. „Und den soll ich Euch wohl verschaffen, was?“
    „Ja, gnä' Herr! Ich thät' schön bitten, suchen's Ihnen den besseren aus von den Mannsbildern , viere sind es! Der Seppele ischt aber der

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