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Bergrichters Erdenwallen

Bergrichters Erdenwallen

Titel: Bergrichters Erdenwallen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arthur Achleitner
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Vater und flüsterte: „Nun hast du nur noch mich und ich bleibe bei dir, lieber, guter, armer Vater!“
    „Ja, du bischt ein braves Kind, das einzige Wesen, das bei mir aushält! Daß es so kommen mußte!“ —

XIX.
    Die fluchtartige Abreise der Richterin erregte im kleinen Städtchen Sensation, die stärker wirkte, als die Verunglückung der Doktorin. An Gesprächsstoff hatten die männlichen und weiblichen Klatschbasen sonach keinen Mangel, nur wußten sie die Reise nicht recht zu deuten. Begehrte Auskunftspersonen wurden daher die Dienstboten Ehrenstraßers, denen auf Schritt und Tritt aufgelauert wurde und von welchen zu erkunden war, daß Frau Bianca mit Kindern und Mutter wahrscheinlich für immer abgereist sei, weil sie in dem Nest nicht mehr bleiben wollte. Diese Mitteilung mußte den Lokalpatriotismus verletzen, sie bewirkte einen Umschwung der öffentlichen Meinung zu gunsten des allgemein verehrten, nun treulos verlassenen Richters. Ehrenstraßer litt schwer, doch ließ er sich durch den Schmerz nicht beugen, er suchte und fand Trost bei seiner wackeren Tochter und in treuer Pflichterfüllung. Lebte und arbeitete er gerne im Städtchen, das ihm zur zweiten Heimat geworden, so liebte er das traute Bergdomizil jetzt erst recht innig samt den damit verbundenen Entbehrungen. Eine wehmutsvolle Liebe! Verließ ihn doch die Gattin, weil sie zu wenig Vergnügen hatte im Städtchen.
    Am Benehmen der Ortsbewohner konnte Ehrenstraßer erkennen, daß ihm eine gesteigerte Verehrung entgegengebracht wird, eine Art Dankbarkeit, daß doch er aushält im Städtchen, das seine genußsüchtige Frau geringschätzte und verließ. Ein kleiner Trost freilich, aber doch ein Trost. Der Dienst drängte die schmerzlichen Gedanken bald zurück, es giebt im Amt keine Ruhezeiten, für einen Untersuchungsrichter schon gar nicht, so dieser seinen Dienst genau nimmt und weiß, wie schwierig dieses Amt ist. Pflegte doch Ehrenstraßer jüngeren Kräften stets zu versichern, daß vom Gerichtsbeamten immer Kraft und frischester Eifer, ausdauernde Gesundheit, umfangreiches, stets gegenwärtiges juridisches Wissen in strafrechtlichem wie civilrechtlichem Fache, Menschenkenntnis, gewandtes Benehmen, offener Sinn und Energie, Takt und Mut verlangt werden, und daß erforderlichen Falles Gesundheit und Leben im Dienst eingesetzt werden müssen.
    Nach solchen Grundsätzen arbeitete Ehrenstraßer und ward dadurch seinen unterstellten Beamten ein leuchtend Beispiel zur Nachahmung im schweren Amte.
    Der Richter war längst im gewohnten Dienstgeleise, da im Städtchen die Wogen der Disputation noch hoch gingen, und ruhig amtierte er einen Fall nach dem anderen. Maldoner fand sich wieder ein, um zu berichten, daß er zwar den Dieb noch nicht abgefangen, dagegen einen seltsamen Fund gemacht habe und zwar steckten in einer Scheunenecke zwei Säcke mit Korn, gezeichnet M.W.
    Ehrenstraßer horchte einigermaßen verwundert auf.
    „Ich mein' decht, das Korn hat mir der Widschwenter Michel heimlicherweise in die Scheune gesteckt, aber die Möhren hat er mir decht gestohlen!“
    „Dann sollten die zwei Säcke Korn wohl eine Entschädigung für die gestohlenen Rüben sein?“
    „Sell könnt' schon möglich sein!“
    „Entspricht der Wert des Kornes dem Verlust an Rüben?“
    „Wohl, wohl!“
    „Beharrt Ihr dann noch auf der Diebstahlsanzeige?“
    „Na, na! Aber wissen möcht' ich decht, ob es der Widschwenter ischt!“
    „Für mich ischt der Fall nun abgethan. Ihr könnt dem Widschwenter jedoch sagen, daß er zu mir kommen soll, ich hätte mit ihm zu reden!“
    Bald nach Abgang Maldoners wurde die Post gebracht, amtliche Schriftstücke, unter welchen Ehrenstraßer auch einen an ihn gerichteten Privatbrief fand. Die leise Hoffnung, daß das Brieflein von Bianca sein könnte, zerstörte sofort die ungelenke Handschrift auf der Adresse. Und ebenso ungelenk war der Brief geschrieben, im Sinn wie in der Schrift folgenden Inhalts.

„Gehorsamster Herr Strafrichter! So leid es mir thuet, das Sie von Ihrer Frau verlasen worden sind, muß ich doch so freindlich sein und anfragen, ob Sie nicht vielleicht Kleider zum Ausbessern haben. Ohne Frau reißen oft leichter Knöpfe und Hosen. Ich bin Ihnen zwar nicht persönlich bekannt, aber dennoch Schneider von Profession, habe mich aber nebenbei immer mit dem Kriminal befaßt. Ich habe mir dadurch geistig zu sehr angestrengt und bin etwas nerviös geworden, im übrigen besitze ich einen guten Humor ohne

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