Bergrichters Erdenwallen
Socialdemokrat zu sein. Nun aber die Abreise, was nicht schön ist von Ihrer Frau und meine Arbeitslosigkeit, von der Bauernschneiderei wird man niemals nicht fett, macht mir so viel Sorgen, bin erst 22 Jahre alt und besitze trotzdem eine tadellose Vergangenheit. Sie werden vielleicht denken, ich könnte beim Schneidermeister in hiesiger Stadt Arbeit finden, dem muß ich Ihnen entgegnen, ich bin im Kriminal gebildet, und möchte zur Heilung das Kneip'sche Verfahren anwänden, bin deswegen in die Nähe vom stedtischen Schwimmbad gezogen. Wenn Sie etwas Arbeit in Ihrer Einsamkeit für mich haben, so bite ich nochmals darum, lasen Sie mir dieselbe zukommen, vielleicht kann ich später einmal es vergelten. Für meinen erfüllten Wunsch im Voraus dankend zeignet Hochachtend Cyprian Tschiggfrei. Wenn Sie so gut sind, schicken Sie mir aber keinen Schandarmen, die wenn ich sehe, werde ich immer nerviös. Nochmals mit gehorsamster Hochachtung der Obige.“
„Den Brief heb' ich mir auf!“ flüsterte Ehrenstraßer. Eine Stunde mochte verflossen sein, da meldete der Amtsdiener den Bauer Michael Widschwenter.
„Soll hereinkommen!“
Durch die Thüre wand sich die hagere Gestalt Widschwenters, der in der rechten Hand ein Taschentuch hielt und sich beim ersten Schritt in die Amtsstube mit feierlicher Umständlichkeit das Gesicht damit abwischte. Ehrenstraßer stutzte; die Temperatur ist nicht danach, daß sich jemand Schweiß vom Gesicht abwischen könnte. Unwillkürlich mußte der Richter an Aberglauben denken, der bekanntlich mancherlei Variationen speziell vor Gericht aufweist und in dieser Erwägung achtete Ehrenstraßer scharf auf das Verhalten dieses Bauers. Widschwenter richtete sich nach dem Abwischen des Gesichtes etwas auf und knüpfte dann sofort einen Knoten in das Tuch, den er fest in der Hand hielt. [12] Jetzt erst wagte es der Bauer, den Blick auf den Richter zu lenken, und zaghaft klangen die Worte: „Herr Stadtrichter! Ös habt's mich holen lassen!“
„Ganz richtig, Widschwenter! Ich möchte mit Euch etwas besprechen und zwar möchte ich von Euch erfahren, warum Eure Ross' so prächtig ausschauen!“
Der Bauer stand wie ein lebloser Holzklotz starr und blickte den Richter an, als ob dieser in einer fremden Sprache geredet hätte.
Ehrenstraßer wiederholte den Satz, der Bauer gab kein Zeichen eines Verständnisses. Sollte der Mann taub sein?
Der Satz wurde nun geschrieen, Widschwenter stand regungslos. Nun machte der Richter die Probe auf Simulation der Schwerhörigkeit, indem er den eisernen Briefbeschwerer in die Hand nahm, in scheinbarer Absicht zur Thüre ging und im Rücken Widschwenters das schwere Eisenstück zu Boden fallen ließ.
Der Bauer rührte sich nicht, zweifellos ist er also Simulant. Denn ein wirklich Schwerhöriger hört solchen Lärm durch die Schallleitung des Bodens und Körpers doch oder fühlt wenigstens die Erschütterung, der Simulant aber glaubt, daß er dies auch nicht hören dürfe und wendet sich daher nicht um.
Ehrenstraßer hob den Briefbeschwerer vom Boden auf und begab sich wieder an den Schreibtisch.
Ersichtlich drückte der Bauer den Knoten im Taschentuch und richtete einen fragenden Blick auf den Gerichtschef.
„Also der Widschwenter will heute nicht gut hören! Da müssen wir ihn schon auf etliche Tage einsperren, vielleicht bessert sich dann das Gehör!“ sprach der Richter absichtlich leise.
Erschrocken platzte der Simulant heraus. „Ich bitt', Herr Stadtrichter, nur nit einsperren, ich hör' bloß auf einem Ohr nit b'sonders!“
„So, so! Also hörst jetzt doch besser, das ischt recht! Nun sag' mir, Widschwenter, wie ischt es mit deine Ross'? Selle fressen halt gestohlene Rüben gerne, nicht?“
„Wohl, wohl! Das ischt eine alte Sach'. Das Gras vom Nachbar macht die Küh' viel Milch und seine Rüben die Ross' stark und gerund!“
„Also hast du dem Maldoner die Möhren genommen?“
„I hun ihm dafür zwei Sack Korn 'geben, also hat er decht keinen Schaden!“
„Also Diebstahl aus Aberglauben! Na, der Maldoner hat die Anzeige zurückgenommen, du hast Ersatz geleistet, bleibst aber ein Dummkopf, weil du solche Sachen glaubst!“
„Kann schon sein, gnä' Herr! Aber helfen thuan selle Sachen decht und das ischt die Hauptsach'! Werd' ich jötzund nit eing'sperrt?“
„Nein! Aber wenn du noch eine einzige Möhre stiehlst, holt dich der Gendarm, merk' dir das, Widschwenter!“
„Saggra! Hätt's nit 'glaubt, daß selles Todtentüchel so wenig
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