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Bericht vom Leben nach dem Tode

Titel: Bericht vom Leben nach dem Tode Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arthur Ford
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Störung seiner Vortragsnummer rächt.
    Fletchers Lernbegierde und seine schnelle Auffassungsgabe können nicht mit unseren üblichen Maßstäben gemessen werden, es sei denn, man attestiert ihm, daß er ein Gedächtniskünstler war. Er übermittelte im Laufe der Zeit nicht nur Botschaften von Altsprachlern und Philosophen, die sich einer Terminologie bedienten, der kaum einer unter meinen Gästen folgen konnte, sondern er sagte auch Nachrichten in Sprachen durch, die weder er noch ich gelernt hatten zu verstehen oder gar zu sprechen. Er sprach Chinesisch, Hindi und Arabisch, außerdem »natürlich« Deutsch und Italienisch und verstand mit einiger Mühe die Antworten und neuen Fragen des lebenden Gesprächspartners. Fletcher erklärte das so, daß er selbst nicht wisse, was er sage und höre, aber er wisse genau, was er zu sagen habe, und was derjenige, der spricht, denke, und diese Gedanken seien nicht an eine Sprache, nicht einmal an Worte gebunden. Für den noch Unerfahrenen, den Neuankömmling in der neuen Lebenssphäre gehe es vor allem darum, die Ausstrahlung der anderen Wesen aufzufangen und richtig zu interpretieren, und nicht um mechanisches Erlernen von Sprachen und anderem Wissensstoff.
    Die »Übersetzung« der Gedankensprache der Körperlosen in unsere Wortsprache geht offenbar assoziativ vor sich. Im normalen Fluß des Gesprächs zwischen den Bereichen fällt diese Transponierung kaum auf, wohl aber, wenn Namen und bestimmte Begriffe umgesetzt werden müssen. Fletcher sprach zu Beginn einer Séance gern die im Raum Versammelten mit ein paar Begrüßungsworten an. Man brauchte sie ihm nicht vorzustellen; er kannte sie, auch wenn sie zum erstenmal bei mir waren. Das heißt, er konnte sie identifizieren und bezeichnende Aussagen über sie machen, aber ihre Namen zu nennen, bereitete ihm Schwierigkeiten. Um ihnen zu beweisen, daß sie keine Fremden für ihn waren, sagte er zum Beispiel: »Sie kommen aus meiner Gegend« oder »Sie sind extra von der Westküste hergekommen«. Geographische Zuordnungen der Personen fielen ihm am leichtesten. Auch Ausländer erkannte er schnell, und Franzosen sprach er gern in ihrer Muttersprache an. Eine andere Identifikationsmöglichkeit boten die Berufe. Er sagte zu einem Herrn, von dem auch ich nicht wußte, daß er ein Kunstmaler war: »Ich sehe Sie dauernd vor der Leinwand stehen.« Und einen katholischen Geistlichen, der sich im grauen Straßenanzug in unsere Sitzung eingeschmuggelt hatte, begrüßte er mit den Worten: »Ich freue mich, daß auch ein Vertreter des Klerus anwesend ist.«
    Die Séanceteilnehmer waren aus naheliegenden Gründen mitunter ganz froh, daß Fletcher sie so gut wie nie beim Namen nannte. Ihr Name tat ja auch nichts zur Sache. Anders war es bei der Vorstellung der Unsichtbaren. Sie legten meistens allergrößten Wert darauf, sich eindeutig zu erkennen zu geben, und wenn sie es nicht gerade vorzogen – so wie Fletcher –, ihren irdischen Namen mit Rücksicht auf Hinterbliebene zu verschweigen, machten sie freimütig und ausführlich Angaben zur Person. Daß die Übermittlung von Namen nicht so einfach ist, sagte ich schon, und richtig assoziieren, das war auch für Fletcher bisweilen Glückssache.
    Besonders schwer fiel es ihm offenbar, ähnlich Klingendes auseinanderzuhalten. (Zur Entschuldigung Fletchers sei daran erinnert, daß das richtige Verstehen von Namen am Telefon auch nicht so einfach ist.) Fletcher mochte also mit überzeugter Stimme beginnen: »Hier meldet sich ein Henry , der –« und stockte dann, weil ihm der Namensträger zu verstehen gab, daß er nicht Henry heiße. Fletcher korrigierte: »Bedaure, es meldet sich ein Harry –«, wieder wurde er unterbrochen, »– vielmehr ein Mister Harrison, wenn ich recht verstanden habe – nein, nicht? Aber die Silbe Har - stimmt doch – oder? Aha, jetzt hab’ ich’s. Es handelt sich um Mister Harrall.« Der andere schien ihm zu bestätigen, daß dies sein Name sei, und nun konnte es endlich weitergehen. Der Gesprächspartner unter den Sitzungsteilnehmern mußte herausgefunden werden. Oft war das leicht, nämlich dann, wenn ein Familienangehöriger oder Freund im Publikum war, der schon aufgeregt darauf wartete, mit dem Verstorbenen sprechen zu können. Fast genausooft meldeten sich jedoch Jenseitige zu Wort, die sich an keine bestimmte Person wandten, sondern einfach nur etwas durchgeben wollten. Auf die sehr unterschiedlichen Kontaktgründe, die sich erkennen lassen, wenn man die

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