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Berlin 1961 - Kennedy, Chruschtschow und der gefährlichste Ort der Welt

Berlin 1961 - Kennedy, Chruschtschow und der gefährlichste Ort der Welt

Titel: Berlin 1961 - Kennedy, Chruschtschow und der gefährlichste Ort der Welt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frederick Kempe
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einzuhalten. 43
    Kennedy hatte seinen üblichen Wochenendaufenthalt in Hyannis Port verschoben, weil er die ganze Nacht hindurch, während die Truppen in Richtung Berlin rollten, alle zwanzig Minuten auf dem Laufenden gehalten werden wollte. Das Pentagon wünschte, über jedes Detail der geplanten Mission im Voraus informiert zu werden, selbst über jeden einzelnen Halt an der Autobahn, den die Soldaten nutzen wollten, um sich auf der Fahrt durch ostdeutsches Territorium nach Westberlin zu erleichtern.
    Die Militärberater des Präsidenten, der Vorsitzende der Vereinigten Stabschefs, Lyman Lemnitzer, und der Militäradjutant des Weißen Hauses, Maxwell Taylor, hatten sich gegen die Entsendung von Verstärkungen ausgesprochen. Der britische Premierminister Macmillan hielt die Geste politisch für eine Provokation und militärisch für »Unfug«. Auch General Bruce C. Clarke, dem sechzigjährigem Befehlshaber der US-Streitkräfte in Europa, der im Zweiten Weltkrieg in der Ardennen-Offensive die Wende zugunsten der US-Truppen herbeiführte, gefiel die Sache nicht. 44
    Der befehlshabende Offizier der Operation, Oberst Glover S. Johns jun., ein stolzer Texaner, war ehemaliger Kommandant der Militärakademie Virginia Military Institute und ausgezeichneter Weltkriegsveteran. Der hochgewachsene blonde Johns, der gut Deutsch sprach und eine Vorliebe für theatralische Auftritte hatte, wusste, dass seine Mission keinen militärischen Nutzen hatte und mit erheblichen Risiken verbunden war. Kennedy hatte ihn auserkoren, weil er gehört hatte, dass Johns ein Mann war, der nicht die Nerven verlieren würde, wenn er eine kleine Kampfgruppe von 1500 Mann durch feindliches Terrain, umgeben von mindestens einer Viertelmillion sowjetischer Soldaten, führen musste. 45
    Trotz detaillierter Instruktionen hatte niemand Johns gesagt, wie er reagieren sollte, falls auf seine Truppe das Feuer eröffnet würde. Ohne konkrete Anweisungen, welche Waffen er mit sich führen solle, hatte er selbst beschlossen, was in die Munitionskisten jedes Fahrzeugs geladen werden sollte. Wie gewohnt
trug Johns auch seinen eigenen alten Colt. Falls es zu Feindseligkeiten kommen sollte, war Johns sich darüber im Klaren, dass »uns die sichere Vernichtung bevorstand«. Wenn es den Sowjets nicht passte, dass sie über die Autobahn rollten, wären sie kaum mehr als Lämmer auf der Schlachtbank.
    Während Johns sich eine Verteidigungsstrategie zurechtlegte, zerbrach sich Johnson den Kopf über Schuhe. Der US-Vizepräsident sah sich Brandts modische Slipper an und forderte den Regierenden Bürgermeister heraus, während die beiden Männer in einem Mercedes-Kabriolett durch Berlin fuhren und der Menschenmenge zuwinkten. »Sagen Sie, Herr Bürgermeister, wo haben Sie diese schicken Schuhe her? Ich möchte auch so ein Paar haben.« Brandt entgegnete, er könne ihm so ein Paar in Berlin besorgen, aber jetzt hätten alle Geschäfte geschlossen. Mit einer Anspielung darauf, dass doch Brandt nur wenige Tage zuvor Taten gefordert habe, nicht Worte, brachte der US-Vizepräsident Brandt ordentlich ins Schwitzen. »Wie wär’s jetzt mit ein bisschen Taten von Ihrer Seite?«
    Willy Brandt blieb nichts anderes übrig, als alle Hebel in Bewegung zu setzen, um Johnson Schuhe zu besorgen. Was waren schon ein Paar Schuhe im Vergleich zur Freiheit Berlins?
    Am Samstag, dem 19. August, kurz nach Mittag, hatte die US-Botschaft General Bruce Clark in Heidelberg mitgeteilt, dass Vizepräsident Johnson am Sonntag um 14 Uhr in die USA zurückreisen würde, unabhängig davon, ob die US-Truppen nun in Berlin angekommen waren oder nicht. Clarke hatte wütend über seinen Berliner Befehlshaber in Washington protestiert, dass Johns und seine Männer kein so großes Risiko eingehen könnten, wenn Johnson nicht einmal in der Stadt blieb, um sie zu empfangen.
    Der Nationale Sicherheitsberater McGeorge Bundy rief Clarke noch am selben Abend um 19 Uhr an: »General, wie ich höre, sind Sie auf alle Menschen wütend, weil es Ihnen nicht passt, dass der Vizepräsident Berlin verlässt, bevor die Truppen dort eintreffen.«
    »Das ist milde ausgedrückt, Mr Bundy«, erwiderte Clarke. »Die Mannschaft tut ihr Möglichstes, um zeitig genug dort anzukommen und vom Vizepräsidenten empfangen zu werden.« Er konnte sich nicht vorstellen, dass Johnson in Washington etwas Wichtigeres zu tun hatte, als für den Empfang der Truppen verfügbar zu sein, während die ganze Welt dabei zusah.
    »Um welche Zeit

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