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Berlin 1961 - Kennedy, Chruschtschow und der gefährlichste Ort der Welt

Berlin 1961 - Kennedy, Chruschtschow und der gefährlichste Ort der Welt

Titel: Berlin 1961 - Kennedy, Chruschtschow und der gefährlichste Ort der Welt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frederick Kempe
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Rückzieher machen.
    Wie Kennedy zu Ted Sorensen auf dem Flug von Berlin nach Irland sagte: »Wir werden, solange wir leben, nie mehr einen Tag wie diesen erleben.« 45
     
    Nur knapp fünf Monate danach, am 22. November 1963, erschoss ein Attentäter John F. Kennedy in Dallas, Texas. Wiederum knapp ein Jahr später, am 14. Oktober 1964, setzten kommunistische Genossen den Parteichef Nikita Chruschtschow ab. Im Jahr 1971 starb er an Herzversagen, nachdem es gelungen war, seine Memoiren in den Westen zu schmuggeln.
    Im Oktober 1963 trat Adenauer als Teil des Koalitionsvertrags, den er nach der Wahl im September 1961 geschlossen hatte, von seinem Amt als Kanzler zurück. Er starb im Jahr 1967, im Alter von einundneunzig Jahren, eines natürlichen Todes und hinterließ als Vermächtnis eine demokratische, wirtschaftlich blühende Bundesrepublik und einen Traum, der – so unrealistisch er auch scheinen mochte – langfristig der Kurs der US-Politik blieb: dass nämlich Deutschland eines Tages wiedervereinigt werde. Seine letzten Worte an seine Tochter waren: »Do jitt et nix do kriesche.« (Da gibt es nichts zu heulen.)
    Nicht ganz ein Jahrzehnt nach der Schließung der Grenze, im Mai 1971, trat der SED-Chef Walter Ulbricht zurück und wurde von Erich Honecker abgelöst, jenem Mann, dem er die Leitung des Projekts Berliner Mauer anvertraut hatte. Honecker gab die Macht erst einen Monat vor dem Fall der Mauer ab, die er gebaut hatte. Im Jahr 1994 starb er im Exil in Chile an Krebs, nachdem man unter anderem gegen ihn Anklage erhoben hatte, weil er den Grenzwachen befohlen hatte, auf die eigenen Staatsbürger zu schießen, falls sie zu fliehen versuchten. Es kam allerdings nie zum Prozess.
    Aber im Jahr 1961 waren in Berlin ihre Schicksale in einer Stadt vereint, deren Name zum Symbol der zentralen ideologischen und geopolitischen Auseinandersetzung in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts werden sollte. Letztlich ging die Geschichte gut aus, aber nur weil Kennedy in Kuba den riskanten Kurs radikal korrigierte, den er im Vorjahr in Berlin eingeschlagen hatte.
    Kennedy konnte jedoch nicht die Mauer aus der Welt schaffen, die errichtet wurde, während er tatenlos zusah. Drei Jahrzehnte lang, wenn nicht überhaupt in der ganzen Geschichte der Menschheit, sollte sie zum Sinnbild für das Leid werden, das unfreie politische Systeme anrichten können, wenn freie Staatsoberhäupter nicht energisch genug Widerstand leisten.

Dank
    Meine Vorliebe für Berlin wurde mir gewissermaßen schon in die Wiege gelegt.
    Meine Mutter, Johanna Schumann Kempe, wurde am 30. Januar 1919 im Bezirk Pankow geboren, der später zum kommunistischen Ostberlin gehören sollte. Sie wanderte 1930 mit ihrer Familie nach Amerika aus, drei Jahre vor Beginn des Dritten Reichs. Sie erzählte mir oft, wie sie als junges Mädchen 1936 nach Berlin zurückgekehrt war, um sich die Olympischen Spiele unter der Schirmherrschaft Adolf Hitlers anzusehen. Die Deutschen gewannen damals zwar die meisten Medaillen, aber der schwarze US-Athlet Jesse Owens stahl den Nazis die Show, als seine vier Goldmedaillen vom Berliner Publikum begeistert bejubelt wurden. Meine Mutter brachte damals einen Bildband als Andenken mit, der noch heute einen Ehrenplatz in meinem Bücherregal einnimmt.
    Wie die meisten Berliner war auch meine Mutter außerordentlich stolz auf ihre Geburtsstadt. Berliner halten sich für etwas Besseres als ihre deutschen Landsleute. Meine Mutter bestand darauf, dass Berliner im Kopf freier und flexibler seien als andere Deutsche und natürlich gewitzter und weltoffener.
    Wegen seiner Herkunft aus der Provinz kam sich mein Vater angesichts der Anschauungen meiner Mutter über die Exklusivität der Berliner minderwertig vor. Er wurde am 21. Mai 1909 im sächsischen Leubsdorf geboren und wuchs in Kleinzschachwitz bei Dresden auf, bevor er 1928 in die Vereinigten Staaten emigrierte. Was meine Mutter, eine Lehrerin, und meinen Vater, einen Bäcker, verband, war der Umstand, dass sie beide in Teilen von Deutschland aufwuchsen, die nach dem Zweiten Weltkrieg unter sowjetische Besatzung geraten sollten. Der Bau der Mauer im Jahr 1961 trennte uns von unserem weiteren Familienkreis. Ich weiß noch, dass meine Eltern jedes Jahr zu Weihnachten große Pakete – gefüllt mit Waren, die dort nicht zu kaufen waren – an Verwandte in die DDR schickten. Ich habe es sehr bedauert, dass meine Eltern 1988 starben, ein Jahr vor dem Fall der Berliner Mauer und dem Ende der

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