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Berlin 1961 - Kennedy, Chruschtschow und der gefährlichste Ort der Welt

Berlin 1961 - Kennedy, Chruschtschow und der gefährlichste Ort der Welt

Titel: Berlin 1961 - Kennedy, Chruschtschow und der gefährlichste Ort der Welt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frederick Kempe
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Schachzugs von Chruschtschow in Bezug auf Berlin zu erklären«, meinte er. 27
    Im Jahr 1962 wies Kennedy auch den Rat der sogenannten SLOBs zurück. Botschafter Thompson, der aus Moskau ins US-Außenministerium zurückgekehrt war, wollte, dass Kennedy während des Showdowns auf Kuba jeden Militärverkehr nach Berlin stoppte, um den Kreml nicht zu provozieren – eine Idee, die der Präsident ablehnte. 28 Der Nationale Sicherheitsberater Bundy fragte sich, ob man vielleicht einen Handel anbieten könne, demzufolge Berlin gegen die Raketen eingetauscht werden sollte. Auch diesen Vorschlag lehnte Kennedy ab, da er nicht als der Präsident in die Geschichte eingehen wollte, der Berlin verloren hatte. 29
    Bei aller wiedergefundenen Willensstärke widersetzte sich Kennedy jedoch auch dem Vorschlag des Militärs, die Abschussrampen auf Kuba anzugreifen, nicht zuletzt weil er fürchtete, dass die Sowjets mit gleicher Münze in Berlin zurückschlagen würden. An einem Punkt protestierte General Curtis E. LeMay, der Chef der amerikanischen Luftwaffe, gegen Kennedys Weigerung zuzuschlagen: »Das ist fast so schlimm wie das Appeasement seinerzeit in München. « LeMay argumentierte wie folgt: »Wenn wir in Kuba nichts unternehmen, werden sie uns in Berlin unter Druck setzen, und zwar wirklich massiv, weil sie uns vor sich hertreiben werden.« 30
    Kennedy sagte dem Exekutivkomitee, dem Gremium, das er eigens aus dem Nationalen Sicherheitsrat gebildet hatte, um die Krise zu bewältigen, dass er befürchte, selbst eine Seeblockade könne eine ähnliche sowjetische Blockade Berlins provozieren. Der US-Präsident ernannte einen Unterausschuss jener
Gruppe unter dem Vorsitz von Paul Nitze, der sich mit Fragen auseinandersetzen sollte, die mit Berlin zu tun hatten. Er brachte sogar eine Rückkehr von General Lucius D. Clay nach Berlin ins Gespräch, um die US-Aktionen bei Bedarf zu koordinieren.
    In seiner Rede an die Nation vom 22. Oktober warnte Kennedy Chruschtschow öffentlich vor Aktionen gegen Berlin: »Jedem feindseligen Vorgehen irgendwo in der Welt gegen die Sicherheit und Freiheit von Völkern, für die wir Verpflichtungen eingegangen sind – einschließlich insbesondere der tapferen Bevölkerung Westberlins –, wird mit allen erforderlichen Maßnahmen begegnet werden.« 31
    Damit war Kennedys Berlin-Krise nach Kuba verlegt worden.
    Bei einem Gespräch mit David Bruce, dem US-Botschafter in London, am Abend von Kennedys Rede äußerte Premierminister Macmillan die Befürchtung: »War es nicht wahrscheinlich, dass es Chruschtschows eigentliche Absicht war, Kuba gegen Berlin einzutauschen? Wenn ihm unter großem Gesichtsverlust in Kuba Einhalt geboten würde, wäre er dann nicht versucht, sich in Berlin zu revanchieren? Könnte das nicht sogar der ganze Sinn dieser Übung sein – einen Bauern vorzuschieben, um ihn gegen einen anderen auszutauschen? « 32 Kennedy bekannte seinerseits gegenüber Macmillan, dass er befürchtete, Chruschtschow könne präventiv in Berlin eine militärische Aktion durchführen, die eine entsprechende Antwort der USA auf Kuba erforderte. »Das ist in der Tat die Wahl, die wir jetzt haben«, schrieb er. »Wenn er [Chruschtschow] Berlin einnimmt, dann erobern wir Kuba.« 33
    Stattdessen machte Chruschtschow in Kuba einen Rückzieher, sobald er von einem entschlossenen Kennedy herausgefordert wurde, genau wie General Clay es ein Jahr zuvor in Bezug auf Berlin vorhergesagt hatte. Als der sowjetische Vize-Außenminister Wassilij Kusnezow Chruschtschow einen Ablenkungsschlag gegen Berlin vorschlug, warnte ihn der sowjetische Parteichef: »Behalten Sie dieses Gerede für sich. Wir wissen nicht einmal, wie wir aus der einen heiklen Lage herauskommen, und Sie [wollen] uns in die nächste bringen? « 34 Chruschtschow lehnte auch Botschafter Dobrynins Vorschlag ab, auf Kuba mit einem »ersten Schritt« zu antworten, das heißt mit der Schließung der Landwege nach Berlin. »Mein Vater hielt jede Aktion in Berlin für unangemessen riskant«, sollte sich Chruschtschows Sohn Sergej später erinnern. Er betonte, dass Chruschtschow »keine Sekunde lang« einen Atomschlag gegen die Vereinigten Staaten in Erwägung gezogen habe. Nach Kennedys Rede begann Chruschtschow mit dem Abzug sowjetischer Truppen von der westdeutschen
Grenze, um deutlich zu signalisieren, dass er nicht die Absicht hatte, den Konflikt eskalieren zu lassen. 35
    Dessen ungeachtet war Kennedy in der Kuba-Krise nie so kompromisslos, wie es der

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