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Berlin 1961 - Kennedy, Chruschtschow und der gefährlichste Ort der Welt

Berlin 1961 - Kennedy, Chruschtschow und der gefährlichste Ort der Welt

Titel: Berlin 1961 - Kennedy, Chruschtschow und der gefährlichste Ort der Welt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frederick Kempe
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Wahl Kennedys beschlossen, dass er auf der Basis des Intellekts einen Zugang zum neuen Präsidenten anstreben werde. Also versuchte er, sich als Mann zu präsentieren, der » trotz fortgeschrittenen Alters junge und frische Gedanken hat«.
    Mit der flinken Feder eines wortgewandten Mannes aus einer Familie mit verlegerischer Tradition appellierte Macmillan an Kennedys Eitelkeit, indem er aus den früheren Schriften des Präsidenten zitierte, ehe er eine bevorstehende, gefährliche Ära skizzierte, in der die »freie Welt« (die Vereinigten Staaten, Großbritannien und Westeuropa) die wachsende Attraktivität des Kommunismus lediglich durch die stetige Steigerung des wirtschaftlichen Wohlstands und Gemeinsinns besiegen könne. Folglich hielt er eine engere transatlantische Koordination, um eine gemeinsame Geld- und Wirtschaftspolitik zu erreichen, für wichtiger als politische und militärische Bündnisse.
    Seit diesem Brief war Macmillan auf vorbereitenden Besuchen bei Bündnispartnern mit seinem »Grand Design« nicht viel weiter gekommen. De Gaulle in Paris sympathisierte zwar mit Macmillans Ansichten, wehrte sich aber hartnäckig gegen seinen Wunsch, Großbritannien in die Europäische Wirtschaftsgemeinschaft zu führen. 42 Bei einem Treffen mit Adenauer in London erhielt der britische Premier vom Bundeskanzler noch weniger Rückhalt. Macmillan gelangte zu dem Schluss, dass das aufblühende Westdeutschland allzu »reich und selbstsüchtig« geworden sei, um seinen Vorschlag zu verstehen.
43 Im Vorfeld von Macmillans Besuch im Weißen Haus hatte Kennedy entdeckt, dass er sein Exemplar des »Grand Design« verlegt hatte. Das ganze Weiße Haus wurde auf den Kopf gestellt, am Ende fand man den Brief im Kinderzimmer Carolines, seiner dreijährigen Tochter. 44
    Trotz Macmillans anfänglicher Bedenken hatten er und Kennedy schon vor dem Washingtoner Treffen ein engeres Band geknüpft, als der britische Premier erwartet hatte: ein Ergebnis gemeinsamen Scharfsinns, Überlegens und Verstandes – sowie der bewussten Bemühungen Macmillans. Im Übrigen waren sie entfernt miteinander verschwägert: Kennedys Schwester Kathleen hatte Macmillans Neffen geheiratet. Genau wie John F. Kennedy hatte auch Harold Macmillan von Geburt an im Wohlstand gelebt und weidlich von der Lizenz zu unabhängigem Denken und exzentrischem Auftreten Gebrauch gemacht. Der Premier war elegant und hochgewachsen, gut einsachtzig groß und hatte unter seinem Schnurrbart stets ein typisch britisches Lächeln auf den Lippen. Er machte um die maßgeschneiderten Anzüge ebenso wenig Aufhebens wie um seinen scharfen Verstand. Macmillan gefiel, dass Kennedy in seinem Buch Zivilcourage so großen Wert auf mutiges Eintreten legte, weil er selbst im Ersten Weltkrieg dreimal verwundet worden war. Während Macmillan in der Schlacht an der Somme mit einer Kugel im Becken auf die Rettung wartete, hatte er Aischylos im griechischen Original gelesen.
    Zur Erleichterung des britischen Premiers hatten er und Kennedy schon zehn Tage vorher einen guten Draht zueinander gefunden, als der Präsident ihn in letzter Minute zu einem Besuch in Key West, Florida, zu einem Gedankenaustausch über die drohende Krise in Laos einlud. 45 Kennedy hatte wohlwollend Macmillans Rat angehört, von jeder militärischen Intervention in Laos Abstand zu nehmen, und der Premier wurde eingeladen, zu verfolgen, wie der Präsident die Generäle in seinem Umfeld lenkte – statt von ihnen gelenkt zu werden. Macmillan war fasziniert von Kennedys »großem Charme […] und seiner leichten Art. Da so viele Amerikaner so schwerfällig sind, ist das ein willkommene Veränderung.« 46
    Aber nach diesem positiven Anfang in Key West waren Macmillan und Lord Home nun umso beunruhigter über Kennedys augenscheinlich militante Haltung gegenüber den Sowjets, die Acheson darlegte und förderte. 47 Bei allen Überlegungen, wie Berlin verteidigt werden könne, sollten sich die Briten, laut Acheson, auf die drei militärischen Optionen konzentrieren: Luftwaffe, Bodentruppen und Atomwaffen. In Anbetracht der Tatsache, dass die nukleare Option »leichtfertig und nicht glaubwürdig« sei, sprach Acheson in erster Linie
über die beiden anderen. Einen Gegenschlag aus der Luft verwarf er, weil die sowjetischen »Boden-Luft-Raketen mittlerweile so zielgenau sind, dass ein Flugzeug keine Chance hat. Folglich ist ein Test der Entschlossenheit in der Luft ausgeschlossen. Die Russen würden einfach mit ihren Raketen die

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